15.10.2012 / Andacht

Raus auf´s Wasser!

Jesus fordert uns heraus, Schritte ins Ungewisse zu gehen, damit wir eine neue Perspektive gewinnen. Ein Impuls zu Matthäus 14,29.

Auf einer Postkarte an meiner früheren Zimmertür war ein kleines Segelboot auf einem Meer zu sehen. Es sollte den Spruch „Mit jedem Schritt erhältst du eine neue Perspektive“ verdeutlichen. Wenn ich mir über den Vers während meiner theologischen Ausbildung Gedanken machte, stand die Frage im Raum: Welche Schritte sollte ich gehen, um meine persönliche Berufung und eine neue Perspektive zu erkennen? Mir war in keiner Art und Weise klar, an welchem Ort mich Gott zukünftig gebrauchen wollte. Er sollte mich lotsen und mir meine Perspektive schenken. Allerdings war die Ungewissheit, ob und wohin er mich führen würde, manchmal ziemlich beängstigend. In dieser Situation ähnelt meine Geschichte der aus dem Neuen Testament (Matthäus 14, 22-32):

Petrus, ein Jünger von Jesus, und seine elf Weggefährten sind mit einem Boot auf dem See Genezareth unterwegs. Dabei geraten sie in Seenot. Große Wellen versuchen, das Boot zu überwältigen. Die  Jünger versuchen eifrig, dagegen anzukämpfen.  Wahrscheinlich dauert dieser Kampf eine ganze Weile, denn Jesus hatte die Jünger bereits nach dem Abendessen auf den See geschickt, auf welchem sie gegen drei Uhr morgens immer noch sind. Ich vermute, dass sich die äußere Situation des unruhigen Sees auf die innere Gefühlslage der einzelnen Jünger übertragen hat. Werden sie den Sturm überleben?

In diesen Momenten der Angst sehen sie plötzlich eine Gestalt auf dem Wasser. Ist es ein Gespenst? Ihre Angst steigert sich noch. Der Alptraum scheint endlos zu sein. Die Jünger schreien vor Furcht und Ungewissheit und geben ihren Emotionen so Ausdruck. Inmitten dieser Gefühle sagt Jesus - von wegen Gespenst - einfach und schlicht „Ich bin es!“

Sehnsucht nach einer neuen Perspektive

Diese Worte müssen etwas mit Petrus gemacht haben. Statt nach den Strapazen müde und erschöpft sitzen zu bleiben, wecken die Worte von Jesus in ihm eine starke Sehnsucht nach einer neuen Perspektive. Er möchte raus aus seinem Boot und erfahren, dass der Glaube trägt. Er möchte erleben, dass Jesus trägt. Die Sehnsucht seines Herzens offenbart er mit den Worten: „Herr, wenn du es wirklich bist, befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen.“ (Matthäus 14,29)

Dieser Wunsch ist verrückt, denn er sprengt die Naturgesetze. Petrus zeigt damit, dass er Jesus eine Menge zutraut und es dieses Mal auch bewiesen haben möchte.

Jesus reagiert an dieser Stelle sehr cool. Er lässt sich auf die Sehnsucht von seinem Jünger ein und fördert sein Vertrauen, indem er ihn mit dem Appell „Komm“ in ein Abenteuer einlädt. Petrus reagiert und setzt einen Fuß aufs Wasser. Mit diesem Schritt  bekommt er eine neue Perspektive, die so viel weiter und so viel größer ist, als die begrenzte Fläche seines Holzbootes, in dem er sich befunden hatte.

Diese neue Perspektive wollte ich in meiner damaligen Situation auch haben. Würde ich sie bekommen? In Zeiten von Zweifel erinnerte ich mich häufig an den Vers „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen.“ (Psalm 37,5) Diese Aussage half mir, darauf zu vertrauen, dass Gott eine neue Perspektive schenken würde, wenn ich bereit wäre, einen Schritt ins Ungewisse hinein zu gehen. Schließlich bin ich diesen Schritt gegangen. Der Ort, an den Gott mich dabei geführt hat, ist zum Platz geworden, an dem er mich gebrauchen möchte.

In dieser bestimmten Phase meines Lebens hatte Gott mich zu einem großen Schritt herausgefordert.  Häufiger jedoch sind es kleine Schritte, die ich gehen muss, um neues Land zu betreten.  Das können Gewohnheiten oder Gedankenmuster sein, die Jesus verändern möchte oder auch etwas ganz anderes.

Jesus möchte Sie und mich da abholen, wo wir eine neue Perspektive brauchen. Er sagt: „Komm da raus. Ich zeige dir mehr.“ Manchmal wünscht er sich große, oft jedoch auch kleine Schritte. Gehen wir sie?