10.07.2010 / Wort zum Tag

Psalm 9,10

Darum hoffen auf dich, die deinen Namen kennen; denn du verlässest nicht, die dich, Herr, suchen.

Psalm 9,10

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Eine Frau, die durch einen Schlaganfall schwer behindert war, sagte mir einmal ein Wort, über das ich oft nachgedacht habe: „Ich danke Gott, dass ich für Menschen, die ich lieb habe, nichts tun kann“. Ich habe diesen Satz zunächst nicht verstanden. Eine Rückfrage, was das bedeutet, beantwortete die Frau nur mit einem Lächeln.

Aber wie kann man sich dafür bedanken, dass man nichts tun kann für Menschen, die man lieb hat?
Nun hätte ich es mir ja ganz leicht machen können und den Satz als unklar und wirr abtun. Doch mir ließ das einfach keine Ruhe. Erst Monate später fand ich einen Ansatzpunkt als ich diese Frau noch einmal bei ihrem Geburtstag besuchte. Ihr früherer Arbeitgeber war zum Kaffee da und irgendwelche Cousinen. Es herrschte eine durchaus fröhliche Stimmung. Irgendetwas Schönes, Herzliches ging von dieser Frau aus. Und dann erzählte sie von ihrem Bruder, der im Krieg von den Nazis verfolgt wurde. Nein, sie erzählte nichts von seiner Haft und von seinem schrecklichen Ende, sondern von fröhlichen Erlebnissen aus der Jugend mit ihm. „Er hat uns immer von Jesus erzählt und von der Kraft, die er durch ihn spürte. Gleich darauf flogen die Kissen und wir machten eine richtige Schlacht“, schmunzelte sie.

Beim Nachhausegehen bekam ich eine leise Ahnung, wie sie das gemeint hatte, dass sie Gott dankt, nichts tun zu können für die Menschen, die sie lieb hat. Wahrscheinlich hatte sie auch damals nicht viel tun können für ihren Bruder, als er inhaftiert und kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. Besuche im Gefängnis waren nicht möglich und später im KZ erst recht nicht. Und als sie selber dann viele Jahre später ihren Schlaganfall bekommen hatte, da war er schon lange tot. Was offenbar blieb, war die Erinnerung an eine gemeinsame fröhliche Kindheit und Jugend. Und eine Erinnerung an die Kraft, die ihr Bruder damals durch den Glauben verspürte. Die wenigen Briefe aus der Haft, in denen er davon berichtete, hatte sie aufgehoben und las immer wieder darin. Sie selber fühlte diese Kraft aus dem Glauben offenbar auch jetzt noch im Rollstuhl in aller Schwäche. Kraft zum Vertrauen auf Gottes gute Begleitung in jeder Sekunde des Lebens. Gott hatte weder ihren Bruder noch sie verlassen in aller Not und Schwäche. Das war keinem Menschen zu verdanken, das konnte nur Gott bewirken: Kraft in aller Schwäche! Wenn man es so sagen will: Gott pur…

Gott pur, das ist Lebensfreude, Geduld, Sanftmut, auch und gerade dort, wo alles dagegen spricht.
Deswegen spricht auch der 9. Psalm davon, wie wichtig es ist, dass man diesen Gott kennenlernt, dass man immer wieder Anstöße von ihm kriegt, Hoffnungssignale, dass man nicht verlassen ist. Diesen Gott wirken lassen, einfach zulassen, dass er da ist. Nicht auf Menschen warten, die uns besuchen oder uns aufmuntern. Selber munter bleiben für Signale der Hoffnung, die Gott uns schickt. Und nicht diesem Schlagwort „No Future – keine Zukunft“ glauben, denn mit diesem Gott ist ja die Zukunft da, schon in der Gegenwart.
 

Autor/-in: Pfarrer Olaf Seeger