07.03.2010 / Wort zum Tag

Psalm 77,15

Du bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Macht bewiesen unter den Völkern.

Psalm 77,15

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Kennen Sie Situationen, die Sie absolut nicht mehr begreifen können? Wo Sie Gott nicht mehr verstehen, weil er nicht so eingreift, wie Sie es erbeten und erwartet haben? Das sind schwere Prüfungen, bei denen schon mancher Gott sein Vertrauen aufgekündigt hat! In einer solchen Lage befand sich Asaph, der Autor unseres Wortes zum Tag. Er schreit in diesem Psalm seine Not heraus. Hatte Gott sein Volk denn verstoßen? Kümmerte es ihn nicht, wie es seinen Leuten ging? Es sah traurig und hoffnungslos aus in der Gemeinde Israels! Asaph verstand Gott nicht mehr.

In seiner Verzweiflung tat Asaph zweierlei. Zum einen ergab er sich nicht einfach dumpf diesen Fragen, sondern er rief zu Gott; sein Rufen wurde sogar zum Schreien. Im Englischen ist das Wort "cry" – Schreien – mit Tränen verbunden. Asaph wandte sich damit, dass er Gott nicht mehr verstand, an Gott selbst. Es kann ein erster Schritt aus Resignation und Verzweiflung sein, wenn wir nicht bei uns selbst bleiben; wenn wir die Hilfe nicht nur bei Menschen, sondern bei Gott selbst suchen, auch und gerade bei quälenden Fragen; wenn wir ihm ehrlich sagen, wie es uns ums Herz ist. Das kann uns aus der Spirale der Gedanken befreien, mit denen wir bei uns bleiben und um uns kreisen.

Das Zweite, das Asaph tat, ist vielleicht aus diesem ersten hervorgegangen: Asaph erinnerte sich an Gottes frühere Taten. Und dabei spricht er auch das Wort zum Tag aus: „Du bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Macht bewiesen unter den Völkern.“
Er erinnerte sich an die Befreiung Israels aus Ägypten. Das war ja ein unglaubliches Ereignis gewesen! Ein versklavtes Volk war einem hochgerüsteten Weltreich entkommen, das keineswegs bereit war, seine billigen Arbeitskräfte ziehen zu lassen; schließlich hatten diese Migranten den Lebensstandard und die Macht Ägyptens gesichert.

Der Auszug Israels aus Ägypten war vielleicht ähnlich unglaublich wie der Fall der Berliner Mauer. Noch Anfang 1989 hatte Erich Honecker beim 40. Jahrestag der DDR behauptet, die Mauer werde noch in 100 Jahren stehen. Und als niemand damit rechnete, öffneten sich die Grenzanlagen. Ich hatte einige Jahre vorher als Pastor in West-Berlin gearbeitet und die Realität der Mauer erlebt. Als ich am 10. November 1989 in einem Supermarkt vor den flimmernden Fernsehgeräten stand, traute ich meinen Augen nicht: Leute stiegen über die Mauer, Ost- und Westberliner lagen sich in den Armen. Mir liefen Tränen über die Wangen. Das war ein Wunder, mit dem auch niemand gerechnet hatte, und hinter dem derselbe Gott stand, an den sich Asaph in unserem Wort zum Tag erinnert.

Bei diesem Erinnern geschah noch etwas Anderes. Asaph sagt nicht: „Du bist ein Gott, der Wunder getan hat“, sondern: „der Wunder tut“. Beim Erinnern lebte der Glaube Asaphs neu auf. Er erkannte: Gott hat nicht nur in der Vergangenheit Wunder getan, sondern er ist derselbe, der auch heute Wunder tut.
Wunder sind in der Bibel nicht immer oder unbedingt verbunden mit dem Brechen von Naturgesetzen. Im Wort Wunder klingt immer auch das Wort „wunderbar“ mit. Wunder sind wunderbare Dinge oder Ereignisse. Sie versetzen uns in Bewunderung und Staunen. Die ganze Schöpfung ist ja ein einzigartiges Wunderwerk; und auch Ihr und mein Leben!

Und diesem Gott, der Wunder getan hat und tut, dem schenkte Asaph nun neu sein Vertrauen. Gott hat Asaph nicht enttäuscht. Und er wird auch uns nicht enttäuschen, wenn wir ihm vertrauen. Mir schrieb einmal jemand in einer schwierigen Situation: „Gott kann alles, nur eins nicht: die enttäuschen, die ihm vertrauen.“
 

Autor/-in: Ernst-Gerhard Fitsch