14.06.2011 / Wort zum Tag

Psalm 73,24

Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.

Psalm 73,24

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Ich wohne in der Großstadt. Ich wohne gerne hier, hier ist immer etwas los, hier gibt es immer wieder neue Dinge zu entdecken, neue Ausstellungen, neue Restaurants, und vor allem immer wieder neue Leute. Interessante Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin und über Gott und die Welt rede. Sehr viele davon sind nur für ein paar Jahre oder auch mal nur für ein paar Monate hier  und ziehen dann wieder weg. Wegen des Berufs, wegen des Studiums, wegen eines Partners oder auch einfach, weil sie gerne wieder mal in einem anderen Teil der Welt leben wollen oder weil sie wieder mal etwas ganz Neues machen wollen. Das ist dann immer ein bisschen traurig, wenn wieder so jemand geht. Aber wir bleiben dann in der Regel per Internet in Verbindung, und wenn's gut geht, kann ich diese Leute dann mit meiner Familie auch mal besuchen gehen. So kann ich selbst neue tolle Orte kennenlernen und ein bisschen Weltbürger spielen.

Es ist heute einfach so, dass Menschen nicht mehr ihr Leben lang an ihrem Ort wohnen und ihren Beruf haben und eines Tages sogar in ihrem Elternhaus sterben. Ich finde das großartig, dass wir heute so mobil und flexibel sein können. Aber ich nehme doch auch wahr, wie uns modernen Leuten dabei etwas leicht verloren geht. Nämlich das Bewusstsein dafür, dass das Leben etwas Ganzes ist, wie ein Weg, den ich gehe und auf dem ich eines Tages ankomme. Wo denn ankomme? Wo gehe ich denn hin?, heißen dann die Fragen. Die Soziologen haben schon viel über diese innere Haltung geschrieben: dass für viele Menschen heute das Leben aus einzelnen Erlebnissen besteht, die gar nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen. Ich führe mein Leben immer wieder an einem anderen Ort, womöglich auch jeweils mit einem anderen Partner, tue etwas anderes als vorher und versuche einfach nicht daran zu denken, dass das Leben irgendwann zu Ende ist.

Das ist heute sehr weit verbreitet, aber es ist so weit weg von der Haltung, die der Psalmist beschreibt: „Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“ Hier wird das Leben als ein Weg beschrieben, auf dem ich geführt werde. Und der ein ganz bestimmtes Ziel, ein Ende hat. So wie ein Weg, der ins Haus meines Vaters führt. Bin ich mir dessen denn bewusst, wenn ich mal hier, mal da bin? Mein Lebensweg bis in Gottes Vaterhaus kann ja durchaus über alle fünf Erdteile und zehn verschiedene Berufe führen. Aber ich denke, es hilft, wenn ich den Blick auf dieses Ende gerichtet halte – ja, das Leben ist eines Tages zu Ende, und nein, das ist nichts Schlimmes, ganz im Gegenteil. Wenn ich im Blick behalte, dass ich dieses Leben unter Gottes Leitung führe und dass es eines Tages bei ihm enden wird, dann fühlt sich das doch ganz anders an als wenn ich planlos von einem Ort zum anderen ziehe.

Wenn ich mir bewusst bin, dass da Gott ist, der mich leitet, dann werde ich, wo ich auch bin, immer wieder seine Hand erkennen können, die mich führt. Dann werde ich den roten Faden erkennen können, der sich durch mein Leben zieht. Mag sein, dass Gott mir immer wieder ähnliche Menschen mit ähnlichen Nöten aufs Herz legt. Oder mag sein, dass er mich im Beruf vor immer neue Herausforderungen stellt und dass ich dadurch immer mehr Menschen immer mehr nützen kann. Auch da kann ich Gott erkennen, wie er mit mir einen Plan verfolgt. Manchmal sicher auch über Umwege, aber immer in eine Richtung: hin zu ihm. Es ist alles dasselbe Leben, mein Leben, und das endet eines Tages genau an einem Ort: nämlich bei Gott.

 

 

Autor/-in: Jutta Schierholz