07.01.2012 / Wort zum Tag

Psalm 63,7

Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.

Psalm 63,7

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Wenn ich Gottes Wort auslege, so bemühe ich mich stets darum, keine ungedeckten Schecks abzugeben. Was ich sage, soll mit meinen eigenen Erfahrungen oder mit meinem eigenen Gottvertrauen abgedeckt sein. Heute fällt mir das schwer.

David, der Beter unseres heutigen Psalms, liegt wach im Bett. Ich stelle mir vor, wie er den Schlaf sucht und nicht findet. Er nutzt diese Zeit sinnvoll und denkt über Gott nach. Schlaflosigkeit kenne ich – Gott sei Dank! – überhaupt nicht. Bei der Auslegung des heutigen Bibelwortes bin ich deshalb – zumindest teilweise – auf fremde Erfahrungen angewiesen.

Franz Delitzsch ist ein deutscher evangelischer Theologe. Er lebte im 19. Jahrhundert. Offenbar kannte er schlaflose Nachtstunden. In diesen Zeiten machte er segensreiche Erfahrungen. Wenn er sich in diesen Momenten Gott vertrauensvoll überliess, so war das für ihn – ich zitiere – „keine flüchtige Erfahrung, sondern sie fesselt mich dermaßen, dass ich einen großen Teil der Nacht damit zubringe, mich in dich meditierend zu versenken.“

Es beeindruckt mich, wie Delitzsch, David und all die anderen nächtlichen Beter in der Zeit der Schlaflosigkeit die Gegenwart Gottes erleben. Sie verbringen die schlaflosen Stunden nicht ungeduldig, lethargisch oder sorgenvoll, vielmehr tauchen sie in die Gegenwart Gottes ein. Auch in einem anderen Psalm beschreibt David den Segen solcher Nachtstunden: „Ich lobe den HERRN, der mich beraten hat; auch mahnt mich mein Herz des Nachts“ (Psalm 16,7). Wir dürfen darauf vertrauen, dass auch „die Finsternis nicht finster ist“ für Gott. In dunklen, schlaflosen Nachtstunden scheint das Licht Gottes über dem Betenden, auch wenn rundherum und vielleicht auch innerlich alles dunkel ist.

Was läuft bei Ihnen ab, wenn Sie wegen Nöten und Problemen den Schlaf nicht finden und lange wach liegen? Dreht sich dann das Sorgenkarussell? Es ist wichtig, dass wir diesen Zustand nicht mit einem frommen Spruch überspielen. Reale Sorgen können den Schlaf rauben, das weiß ich, auch wenn ich das persönlich noch nie erleben musste. Der Anfang des Psalmes, aus dem das heutige Losungswort stammt, zeigt, dass David durchaus von Problemen geplagt wird: „Es dürstet meine Seele nach dir, meinem Gott, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.“ Und später im Psalm sagt er: „Sie aber trachten mir nach dem Leben, mich zu verderben.“ Aus Davids Biografie wissen wir, dass diese Sorgen einen handfesten Hintergrund haben.

Wie gelingt es David, nachts trotzdem ruhig zu bleiben? Im Vers gleich vor unserem Losungswort gibt er uns einen Hinweis zum Inhalt seiner Nachtgebete: „Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann.“ Offensichtlich lobt er Gott für all das Gute, das er erfahren hat und das trotz aller Sorgen und Nöte immer noch da ist. Es gibt – so paradox es tönen mag – ein Gotteslob gegen den Augenschein: Man kann Gott loben trotz allem. Ich kann Gott loben, weil er meine Lebenszeit in seinen Händen hält, auch wenn ich gegenwärtig wenig davon spüre; ich kann ihm das Vertrauen aussprechen, dass er keine Fehler macht, obwohl es mir im Moment vielleicht schwer fällt, das einzusehen; und ich kann ihn loben, dass er für mich eine ewige Herrlichkeit bereithält.

Mit diesem Vertrauen kann das Gebet schließlich einmünden in die Erfahrung, die David so beschreibt: „Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach. Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.“
 

Autor/-in: Pfarrer Alexander Nussbaumer