11.11.2013 / Wort zum Tag

Psalm 56,9

Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie

Psalm 56,9

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Vor einiger Zeit wurde ich sehr überrascht. Da wurde plötzlich von Gott gesprochen, an einer Stelle, wo ich es nicht erwartet hatte. Es war bei einer Fernsehsendung, ein Gemisch aus Talk- und Spiele-Show. Prominente Gäste bewerben sich um ein Zimmer in einer gedachten Wohngemeinschaft. Maite Kelly, aus der legendären Kelly-Family, war zu Gast an diesem Abend, als ich mir die Sendung anschaute. Um die Eignung des Gastes zu prüfen, wird neben manchen Spielchen auch Persönliches aus dem Leben der Bewerber vorgestellt. Dazu wird ein Zimmer passend zum jeweiligen Gast eingerichtet.

"Maite Kelly ist eine sehr gläubige Frau" - mit dieser Bemerkung bat nun die Moderatorin Maite dorthin zum Interview. Der Raum war mit vielen kirchlichen Symbolen ausgestattet. Und Frau Kelly erzählte sehr freimütig und offen über ihre Begegnung mit Gott, die ihr Leben total verändert hat. Schließlich kam die Frage: „Maite, wenn Du den lieben Gott etwas fragen könntest, was wäre das?“ Die Antwort kam prompt: „Ich frage ihn immer wieder: Warum liebst Du uns so sehr?“

Diese Aussage ließ aufhören: wie bitte? Die Frau hat mit zwei Jahren ihre Mutter verloren, da könnte man doch ganz andere Fragen erwarten! Zum Beispiel: „Welchen Sinn hat das, einem kleinen Mädchen seine Mutter zu nehmen?" Oder wenigstens die sonst so verbreitete Standartreaktion: „Wieso lässt Du, Gott, so viel Leid in dieser Welt zu?“ Aber nein, stattdessen kam: „Warum hast Du uns Menschen so sehr lieb?"

Ich dachte in diesem Moment, natürlich darf man auch die anderen Fragen stellen. Aber wer trotz schwieriger persönlicher Lebensführungen noch über die Liebe Gottes Staunen kann, der beeindruckt. Mich hat das Interview berührt. Da ist eine Frau, die lebt ganz bewusst von Gottes Liebe, spürt diese Liebe so deutlich, dass auch leidvolle Erfahrungen sie nicht verdrängen.

Wenn ich nun über das Bibelwort Psalm 56, Vers 6 nachdenke, dann stellt es in ähnlicher Weise den liebenden Gott heraus. „Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie“ – so betet jemand, der sich dieser Sache ganz sicher ist. David wird als der Psalmbeter in Vers 1 genannt. Er hat dieses Gebet auf seiner Flucht vor Saul und seinen Leuten gesprochen. Da war er gerade von den Philistern ergriffen worden, die auch noch eine Rechnung mit ihm offen hatten.

Also wirklich keine einfache Situation für David. Ihm ist zum Heulen zumute, um das mal so salopp zu sagen, und er hat sicher manche Tränen geweint. Aber er weiß sich bei Gott aufgehoben und vertraut sich IHM ganz und gar an. Was ist das doch ein starkes Bild, das David gebraucht. Jede Träne wird von Gott verbucht, wie in einem Krug oder auf einem Konto gesammelt, da geht nichts verloren. „Ohne Zweifel, du zählst sie“ – das ist seine Überzeugung. Solch eine Gewissheit wünsche ich mir für mein Leben.

Ich möchte den Psalm 56 zu meinem Gebet machen und schaue mir den Vers 6 etwas intensiver an, indem ich andere Bibelübersetzungen miteinander vergleiche. Eine gefällt mir ganz besonders, da geht noch ein Satz voraus: „Du vermerkst jede einzelne meiner Sorgen.“ Ich denke, das hätte Maite Kelly so auch sagen können. Wer über Gottes Liebe immer wieder neu staunen kann, der weiß wohl auch, dass der liebende Gott seine Augen nicht verschließt vor Leid, Fragen und Sorgen, vielmehr jede einzelne Sorge vermerkt und sogar die Tränen zählt. Gott ist Trost und Halt, daran glaube ich.  

Autor/-in: Pastor Ralf Schöll