10.08.2009 / Wort zum Tag

Psalm 50,2-3

Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott kommt und schweiget nicht.

Psalm 50,2-3

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Ich frage bei dem Psalmbeter nach: „Woher kommt Gott?“ Seine Antwort: „Gott kommt aus dem Zion. Denn auf dem heiligen Felsenberg in Jerusalem steht sein prachtvoller Tempel. Hinter seinen herrlichen Zinnen und mächtigen Säulen leuchtet für mich der schöne Glanz Gottes hervor“, so etwa könnte er antworten. Er weiß: Der Tempelfelsen ist ein uraltes Symbol für die Weltachse. Um ihn dreht sich alles im heiligen Land! Er verschließt die Pforten des Totenreichs, hebräisch des Scheol. Und er ragt zum Himmel empor und öffnet ihn für die Güte Gottes. Weil der Zionsfelsen die Hölle verschließt und den Himmel öffnet, wird er zur Weltachse, um die sich alles dreht. So verstehen ich den Beter.

Längst sind der erste Tempel Davids, der zweite, nachexilische Tempel und der dritte Tempel des Herodes zur Zeit Jesu untergegangen. Für uns Christen ist ein anderer Felsen und eine andere Weltachse zur heiligen Mitte geworden: der Felsen Golgatha mit dem Kreuz. Wieder eine Weltachse, die mit ihrem Fuß die Mächte von Sünde, Tod und Teufel verschließt. Und eine Weltachse, die mit dem Sterben von Jesus den Himmel der unbedingten Liebe Gottes öffnet. So wird das Kreuz Jesu zur Mitte unseres christlichen Glaubens, um die sich alles dreht.

Doch von ihrer Mitte können Menschen innerlich ganz unberührt bleiben. Das genau beklagt der Psalmbeter. Er beobachtet die Opfernden. Sie lassen ihre Rituale innerlich unberührt ablaufen. Er lauscht ihren heiligen Gesängen. Sie werden nur noch äußerlich heruntergeleiert. Bitter muss er feststellen: Der Tempelbetrieb ist zur leeren Hülse, zur hohlen Fassade geworden. Das kritisiert schon der Prophet Amos (5,21-23): „Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!“ Durch und durch fährt es mir bei dieser herben Kritik. Geht am Ende Gott auch mit meinen frommen Gewohnheiten so ins Gericht? Opfer, Liturgie, Gottesdienst oder Andachtsübung – mein Inneres kann davon unberührt bleiben. Lässt sich Gott meine Gottesdienste, bei denen ich innerlich unbeteiligt bleibe, schweigend gefallen?

Nein, der Psalmist rüttelt seine Beter auf: „Unser Gott kommt und schweiget – ich muss ergänzen: 'dazu' – nicht.“ Nein, Gott redet. Er redet bis heute in seinem Wort. Im Gegensatz zu äußerem Glanz und hohlen Ritualen will das Wort ins Innerste eines Menschen eindringen. Innerlichkeit gehört zu seinem Wesen, selbst wenn Menschen Gottes Wort zum einen Ohr hinein und zum anderen heraus gehen lassen können. Worte wohnen in mir. Mit ihnen denke ich. In ihnen liebe ich. So gehören sie zu meinem Innersten, meinem Herzen.
Unser Gott kommt und schweiget nicht: Wo er mit seinen Worten mein Innerstes berührt, verwandelt sich mein Gottesdienst. Wo seine guten Worte der heiligen Schrift in meinem Herzen aufleuchten, da geht das Licht seiner Liebe in mir auf. Woran ich das erkenne? Der Psalmist weiß es. Ein berührtes Herz schenkt sich im Danken. Mein Danken ist die freie Antwort auf sein freimütiges Geben. Wir empfangen so viel: Essen und Trinken, Gehalt und Unterstützung, Frieden und Freiheit und vieles mehr. Im Danken erkenne ich den, der mir das alles gibt und mein ganzes Leben zu einem Geschenk macht!
 

Autor/-in: Pastor Dr. Georg Gremels