01.11.2010 / Wort zum Tag

Psalm 34,19

Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind.

Psalm 34,19

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Haben Sie schon einmal verzweifelt zu Gott geschrien? Wo Sie nicht mehr aus noch ein wussten und dachten, wenn jetzt nichts passiert, zerbricht alles, auch mein Herz?

So erging es Friedrich von Bodelschwingh, als er noch Pfarrer in Dellwig war, bevor er nach Bethel kam. Weihnachtsabend 1868 war das Pfarrhaus noch von hellem Kinderlachen erfüllt. Unter den 4 kleinen Kindern war der mit 5 Jahren älteste, Ernst, die besondere Freude seiner Eltern. Sein Herz war weit aufgeschlossen für den Glauben an Gott, und es stand für ihn fest, dass er einmal ein Mitarbeiter seines Vaters wird. An einem Weihnachtsabend war er sogar hinter ihm her auf die Kanzel geklettert. Plötzlich fühlte der Vater unter seiner Hand einen Haarschopf. Es war sein kleiner Junge, der zu ihm aufschaute. Der Vater predigte einfach weiter, und der Kleine harrte treu auf der Kanzel aus, bis er fertig war.

Aber wenige Tage nach dem Fest erkrankte Ernst an einem Stickhusten, dem eine Lungenentzündung folgte. Bald darauf traf es auch die 3 jüngeren Geschwister, Friedrich, Elisabeth und Karl. Die Eltern waren verzweifelt, aber der kleine Ernst tröstete sie, dass sie keine Angst zu haben brauchten. „Wir sind doch dann bei Gott, und er schließt uns in seine Arme“, sagte er. Aber für die Eltern war das kein Trost. Dieser Friede in dem kleinen Jungen machte ihnen den Abschied nur noch schwerer. Und dann geschah, was abzusehen war: Alle vier Kinder starben, und zwar innerhalb von 12 Tagen. Die Eltern kehrten mit einem zerbrochenen Herzen in ihr vereinsamtes Haus zurück. Können wir jetzt noch an Gott als unsern Herrn glauben? Wo ist seine Nähe? Wo ist seine Liebe? Gott schien abwesend zu sein.

Aber auch unter seinem Gegenteil ist Gott verborgen da, und er hat noch etwas vor. Nur die Menschen sehen und spüren es nicht. Sie sehen nur die dunkle Seite und noch nicht die aufgehende Sonne, die dahinter verborgen ist. Das Ehepaar Bodelschwingh versuchte sich nun mühsam durchzuschlagen. Vielleicht hat Bodelschwingh auch über diesen Text gepredigt: „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind“. Aber er konnte nur auf dieses Wort vertrauen. Zu erleben gab es noch nichts.

1 3/4 Jahre später, im Herbst 1871, klopften der Kaufmann Gottfried Bansi und der Pfarrer Simon aus Bielefeld an seine Tür. Sie baten ihn, nach Bethel zu kommen. Vor 4 Jahren war dort die Arbeit an Behinderten begonnen worden. Nachdem der Krieg von 1870 vorbei war, sollte die Arbeit weiter entwickelt werden, und dazu brauchten sie einen geistlich gereiften Pfarrer. Bodelschwingh glaubte hier, Gottes Weg zu erkennen, und sagte zu. So ging er mit seiner Frau im Januar 1872 nach Bethel bei Bielefeld. Dort setzte er nun seine ganze Liebe für immer mehr behinderte und sozial benachteiligte Menschen ein. Ein Liebeswerk Jesu Christi entstand. Nicht die Krankheit führte die meisten Leute noch Bethel, sondern dass jeder in der Lebensgemeinschaft dort mit der Liebe von „Vater Bodelschwingh“ aufgenommen wurde. Dazu schenkte ihm Gott noch weitere eigene Kinder.

Im Rückblick kann man sagen, dass Bodelschwingh in den schweren Tagen seines Lebens mitfühlend und barmherzig wurde. Damit wurde er vorbereitet für die große Aufgabe, vielen Menschen etwas von der erfahrenen Barmherzigkeit Gottes weiterzugeben.

Autor/-in: Pfarrerin Dr. Ulrike Eichler