17.10.2009 / Wort zum Tag

Psalm 30,6

Sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude.

Psalm 30,6

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Das saß. Tief getroffen drehte er den Kopf zur Seite, um seine Tränen zu verbergen. Dabei war es endlich mal eine andere Erfahrung gewesen: Es schien so gut zu laufen. Diesmal interessierte sich wirklich jemand für ihn. Er war nicht nur als jemand gefragt, der helfen soll. Sie und er - sie hatten eine Gesprächsebene miteinander gefunden und konnten sogar lachen, wenn es zu Missverständnissen kam. Und nun hatte sie ihm gesagt: „Tut mir leid – es geht nicht mehr.“ Er verstand die Welt nicht mehr.

Sie hatte Seiten an ihm entdeckt, die sie befremdeten. Sie war nicht bereit, sich auf diese Seiten einzulassen. Sie erwartete auch nicht, dass er sich auf sie einstellte. Deshalb wollte sie den Kontakt beenden. In seinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell: Keiner will mich. Ich hätte es wissen sollen. Aber diesmal fing alles so anders an. Diesmal …

Wie in einem Kerker kam er sich vor. In einem tiefen dunklen Loch saß er. Wie sollte er da nur rauskommen?  Tagelang war er kaum in der Lage, an etwas anderes zu denken. Er funktionierte. Er riss sich zusammen, sobald er jemandem begegnete. Als er schon im Bett lag, wieder und wieder einige Wortwechsel durchging – war es da – das Wort: David. Der große König David – wie oft saß der im tiefen Tal. Fühlte sich im Kerker, wie er selbst. Nur - David hatte aus dem Loch rausgefunden. David? Nein, Gott hatte ihn rausgezogen. Er versuchte mühsam, sich auf David zu konzentrieren. Da kam es ihm – David hatte seine Gedanken und Gefühle schonungslos vor Gott ausgebreitet. David hatte seinen Kummer nicht mit sich selbst ausgemacht. Er hatte daraus ein Gebet gemacht. Er fühlte sich David sehr nahe. Ob ihm das den Mut gab, sich in Worte von David einzuklinken? Ehe er sich versah, sprach er wie David: "Ich preise dich, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässest meine Feinde sich nicht über mich freuen. Herr, mein Gott, als ich zu dir schrie …" und nun schrie er selbst: „Herr, warum immer ich? Wieso bleibt nicht mal eine bei mir? Steht mir das schon im Gesicht geschrieben: Achtung, mach einen Bogen um ihn. Netter Typ – aber mehr nicht?“

Er wusste es nachher selbst nicht, wie lange es Satz um Satz aus ihm herausbrach als er schon fasst erschöpft in seine Kissen zurücksank. Plötzlich stand es ihm vor Augen: Es schien hell zu werden. Er sah Jesus vor sich. Unwillkürlich streckte er Jesus die Hände entgegen. Und Jesus? Er fasste ihn. Hob ihn hoch, zog ihn raus aus seinem Kerker. Er war frei. Sein Blick war auf Jesus gerichtet. Geborgen war er - in den Armen von Jesus. Er konnte es noch gar nicht glauben. Und doch – es kam ihm so vor, als wenn so seine Zukunft aussieht: In Jesus geborgen zu sein. Nicht mehr in diesen Kerker zurück zu müssen. Ihn hinter sich gelassen zu haben. Wenn er es sich richtig überlegte, hatte David Recht, wenn er sagte: Sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude. Ja – Psalm 30. Den wird er so schnell nicht vergessen.
 

Autor/-in: Pastorin Elke Drossmann