15.08.2011 / Wort zum Tag

Psalm 19,8

Das Zeugnis des HERRN ist gewiss und macht die Unverständigen weise.

Psalm 19,8

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Mein liebstes Buch in meiner Kindheit war ein Lexikon. Es stand im Bücherschrank meiner Eltern. Ein altes, dickes, einbändiges Werk mit vielen Bildern. Immer wieder einmal nahm ich es zur Hand und ließ mich von seinem Inhalt gefangen nehmen. Ich konnte mich nicht satt sehen und satt lesen an den vielen Informationen, die es über unsere Welt und uns Menschen gab. Vieles ging über das Fassungsvermögen eines 10/11-jährigen Jungen hinaus - aber was ich verstand, war faszinierend genug. Wie der Mensch innen aussieht und wie eine Dampfmaschine funktioniert; warum es Vulkane gibt und wie kalt es am Nordpol ist; und dass die Maus genau so ein Säugetier ist wie der Elefant. Es gab wirklich nichts, worauf das alte Lexikon meiner Eltern keine Antwort wusste.

Und irgendwann reifte beim Lesen in mir eine große Idee: Wenn ich all die Sachen, die im Lexikon standen, auswendig wüsste, dann wüsste ich alles, was in dieser Welt wichtig ist zu wissen. Dann wäre ich klug. Und wer alles weiß und klug ist, dem wird auch das Leben gelingen. Und ich begann, noch eifriger im Lexikon zu lesen und mir Sachen daraus zu merken. Sie können es sich schon denken, irgendwann erlahmte mein Schwung, das Lexikon auswendig zu lernen. Ich begann zu ahnen, dass ein Mensch gar nicht in der Lage ist, alles Wissen, das es in der Welt und über die Welt gibt, in sich zu tragen und darüber zu verfügen. Und inzwischen hat sich ja das Wissen über alles, was mit unserer Welt und uns Menschen zusammenhängt, geradezu explosionsartig vermehrt und nimmt von Tag zu Tag zu - da können nur noch Spezialisten auf immer kleineren Sachgebieten Bescheid wissen. Und wie schnell ist dieses Wissen wieder überholt!

Und inzwischen weiß ich auch, was ich damals als 10-jähriger nur dunkel ahnte: Wissens-Stücke aus dem Lexikon oder das Verstehen von hochkomplizierten Zusammenhängen aus der Technik oder Biologie sind nicht alles, was Menschen an Wissenswertem zum Leben brauchen. Bei allem Wissen, das wir uns aneignen können - es gibt Bereiche, da nützt Kopf-Wissen wenig. Das weiß der Beter des 19. Psalms. Für ihn ist das Wort, mit dem Gott ihn anredet, mehr als nur eine Bereicherung seines Wissens. Er hat erfahren, dass ihm in diesem Wort der lebendige Gott begegnet. Und er erlebt, dass aus dieser Begegnung eine Beziehung zwischen Gott und ihm entsteht.

Die hat Wirkungen in sein Leben hinein. Er spürt: Das Wort des HERRN erquickt die Seele und macht den Unverständigen weise. Weise? Das ist mehr, als sich ganz viel Wissen über die Welt angeeignet zu haben. Wer weise ist, hat begriffen, was für sein Leben entscheidend wichtig ist: Dass der lebendige Gott ihn in seinem Wort anredet und dass er darauf reagieren kann und darf. Und wenn er sich auf diese Beziehung zu Gott einlässt, passieren ungeahnte Dinge in seinem Leben. In der Gute-Nachricht-Übersetzung wird der Zusammenhang zu unserem Textwort so formuliert: Das Gesetz des Herrn ist vollkommen - es gibt Kraft und Leben. Die Mahnungen des Herrn sind gut - sie verhelfen Unwissenden zur Einsicht. Die Weisungen des Herrn sind zuverlässig - sie erfreuen das Herz. Die Anordnungen des Herrn sind deutlich - sie geben einen klaren Blick.
Das ist es, was wir neben allem erworbenen Wissen brauchen, wenn das Leben gelingen soll und wir weise leben; das ist es, was Gott uns schenkt, damit unser Leben gelingen kann: Kraft und Leben, Einsicht, ein erfreutes Herz, einen klaren Blick. Leben Sie weise.
 

Autor/-in: Pastor i. R. Harald Stein