28.05.2013 / Wort zum Tag

Psalm 19,13

Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!

Psalm 19,13

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Als Michael zu mir kam und mir erzählte, wie enttäuscht er über mein Verhalten sei, war ich sehr betroffen. Ich hatte wirklich nicht bemerkt, dass ich ihn verletzt hatte, wirklich nicht. Und jetzt? Aber zunächst die Geschichte von Anfang an.

Es war vor vielen Wochen gewesen. Wir saßen mit einigen Mitarbeitern zusammen, um eine Veranstaltung in der Kirchengemeinde vorzubereiten. Ideen wurden ausgetauscht, Konzepte skizziert und wieder verworfen. Eine kreative Gruppe. Auch Michael beteiligte sich intensiv an der Diskussion. Einer seiner Ideen widersprach ich. Andere stimmten mir zu. Und schon waren neue Gedanken da und Michaels Vorschlag war vergessen.

Am Ende des Abends waren wir alle mit dem erarbeiteten Ergebnis zufrieden und die Veranstaltung, die drei Wochen später stattfand, verlief wirklich gut. Alles prima! Ich dachte nicht mehr an die lebendige Diskussion in der Vorbereitung.

Eben bis zu diesem Besuch von Michael. Dass ich seiner Idee widersprochen hatte, war nicht das Problem. Wie ich es getan hatte, das hatte ihn verletzt. Mir war das wirklich nicht bewusst gewesen und an seine Worte erinnerte ich mich auch nicht mehr. Aber jetzt, bei seinem Besuch, spürte ich, dass er tatsächlich verletzt war und es tat mir aufrichtig leid. „Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!“ (Psalm 19,13)

Manchmal merken wir nicht, wie wir schuldig werden. Wir merken nicht, dass wir jemanden verletzen mit dem, was wir sagen oder tun, jemandem weh tun durch die Art wie wir reden oder handeln. Manchmal sind wir einfach unüberlegt oder unkonzentriert, versäumen etwas oder übersehen jemanden.

Die eigenen Belastungen und die Anforderungen an uns, der Stress oder unser Befinden machen es uns manchmal schwer, liebevoll und hilfreich zu reagieren.

Es gibt viele Gründe, die dazu führen, selbst nicht zu bemerken, wie wir an jemandem schuldig werden. Die anderen aber spüren es. Oft können sie uns vergeben, ohne darüber reden zu müssen.

Sie haben das sicher auch schon getan. Sie waren verletzt, aber ihnen war klar: Der andere wollte mir nicht weh tun. Es ist ihm einfach passiert. Sie konnten es vergeben und loslassen ohne darüber zu sprechen und ihr Verhältnis war wieder in Ordnung. Michael konnte es nicht. Er kam zu mir. Damit hat er uns beiden geholfen, unser Verhältnis zu klären. Er hat mir geholfen, eine verborgene Schuld zu entdecken und sie loszuwerden. Das tut gut.

Dennoch bleibt manche Schuld verborgen und das ist auch nicht schlimm. David betet: „Verzeihe mir die verborgenen Sünden.“ Damit lenkt er unseren Blick auf Gottes große Barmherzigkeit. Gott rechnet uns die Schuld nicht an, die wir nicht bemerken. Er kennt uns und weiß, wir werden schuldig, ohne es zu bemerken. Aber auch dafür hat er Vergebung, weil er uns ohne Wenn und Aber liebt. Jesus ist einmal für all unsere Schuld gestorben. Vergebung ist also schon da, bevor wir daran denken oder darum bitten.

Aber wir sollen um die Vergebung für unsere Schuld bitten. Wir müssen sie in Anspruch nehmen, eben auch für unsere verborgene Schuld. Ein erfahrener Christ hat mir vor langer Zeit folgendes gesagt: „Du musst dein Gewissen nicht ständig prüfen, ob du auch alle Schuld vor Gott ausgesprochen hast. Aber der Satz: ‚Lieber Vater, verzeihe mir meine verborgenen Sünden‘, dieser Satz gehört zu meinem täglichen Gebet.“ Bis heute habe ich diesen Rat nicht vergessen.

Autor/-in: Pastor Wolfgang Ortmann