12.11.2011 / Wort zum Tag

Psalm 119,105

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

Psalm 119,105

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Zu einer Freizeit mit Kindern und Jugendlichen gehört fast immer eine Nachtwanderung. Ein traditioneller Programmpunkt, herbeigesehnt - aber oft auch mit einem kleinen ängstlichen Kribbeln im Bauch. Und jedes Mal höre ich die Frage: "Dürfen wir eine Taschenlampe mitnehmen?" "Nein, dürft ihr nicht! Nur wir Mitarbeiter haben Taschenlampen dabei", lautet die Antwort für gewöhnlich - wenn wir nicht gerade eine Fackelwanderung geplant haben. Dabei brauchen die Jugendlichen die Lampen natürlich nur, um den Weg besser zu sehen - sie geben nicht zu, dass sie auch Angst haben. Bei Kindern im Grundschulalter, zumal bei den Mädchen, gibt es doch immer das eine oder andere, das lieber nicht mitgehen will. Die Nähe der Freundinnen oder der Mitarbeiter, die es an der Hand fassen, hilft aber meist, diese Angst zu überwinden.

Dabei ist es zunächst einmal normal, im Dunkeln Angst zu haben. Außer bei solchen Nachtwanderungen, die oft bei einsam gelegenen Freizeitheimen irgendwo im Wald starten, erlebe ich aber kaum noch echte Dunkelheit. In unserer lichtverschmutzten Welt leuchtet mir die ganze Nacht die Straßenlaterne ins Schlafzimmer. Wenn ich in den Keller gehe oder auch durch die enge Kirchturmtreppe zu den Glocken hinaufklettere, schalte ich am Eingang schon das Licht ein. Aber da im Wald, weit weg von der nächsten Siedlung, da ist es dunkel. Vielleicht scheint der Mond, vielleicht sehen wir die Sterne. Schön - aber sie helfen mir nicht, den Weg zu finden. Sie helfen nicht, um zu erkennen, was um mich herum ist. Sind da Baumwurzeln auf dem Weg? Pfützen vom letzten Regen? Ist der Weg asphaltiert, aus Kies, Erde oder bedeckt von den Blättern der vergangenen Jahre? Was aber vor allem Angst macht, ist das, was drumherum ist. Besonders unheimlich, wenn Geräusche zu hören sind - da ist schon mancher vorher mutige Junge plötzlich an der Hand der Mitarbeiter zu finden. Was mag das sein? Ein wildes Tier? Mitarbeiter, die sich im Wald versteckt haben, um der Gruppe einen Streich zu spielen? Oder gar echte Bösewichter?

Im Dunkeln scheint vieles möglich zu sein. Ich kann mich auf meine Sinne nicht verlassen. Ich bin hilflos. Vor allem, wenn ich den Weg gar nicht kenne, ihn zum ersten Mal gehe. Ich muss vertrauen: Jemandem, der den Weg kennt. Und der im Zweifelsfall immer wieder einmal kurz die Taschenlampe anmacht, einen Lichtstrahl fallen lässt auf etwas, was bisher verborgen war. Und damit verliert es seine Bedrohlichkeit. Das - vermutlich harmlose - Tier springt weg. Oder ich kann an der Weggabelung besser entscheiden, welches wohl die richtige Richtung ist. Mit der Taschenlampe überblicke ich nicht alles. Es ist nicht so hell erleuchtet wie unsere Dorfstraßen. Ich sehe nur die nächsten paar Schritte. Ganz gezielt nur das, wohin ich den Lichtstrahl richte. Ich kann auch noch nicht auf Vorrat um die nächsten Kurven leuchten. Das bleibt noch im Dunkeln. Das bleibt spannend. Das macht manchmal auch Angst.

Manchmal denke ich, so wie eine Taschenlampe auf einem Weg durch das unbekannte Dunkel ist Gottes Wort für mich. Es hilft mir, meinen Weg im Leben zu finden. Gerade da, wo ich keine Orientierung mehr habe. Wenn ich nicht weiß, wohin es gehen soll. Eine Taschenlampe - keine Straßenlaterne. Im Gespräch mit Gott, im Lesen der Bibel, im Hören auf die Ratschläge anderer Menschen, die mit mir und für mich im Gebet sind, können sich mir die nächsten Schritte erhellen. Nicht um die nächsten Kurven herum. Es ist auch meist nicht sinnvoll, aus dieser persönlichen Erleuchtung eine für alle gültige Regel ableiten zu wollen. So, wie Gott mich hier und heute leitet, ist es sein Weg für mich persönlich. Den muss ich für mich finden. Darum darf ich selber in der Bibel lesen, mit Gott reden. Ich darf mir Hilfe dazu holen - aber ich muss mir nicht vorschreiben lassen, wie ich Gottes Wort verstehen sollte. Das wirkt Gottes Geist in mir. Denn "dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege" (Ps 119,105).
 

Autor/-in: Pfarrerin Marion Sieker-Greb