11.10.2014 / Wort zum Tag

Psalm 10,17

"Das Verlangen der Elenden hörst du, HERR; du machst ihr Herz gewiss, dein Ohr merkt darauf..."

Psalm 10,17

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Er bewohnt ein Zimmer in einem abbruchreifen Haus.
Eine riesige Flagge der kurdischen Arbeiterpartei ist die einzige Dekoration, wenn man das  überhaupt so nennen kann. Aber er hat ein Strahlen im Gesicht und erzählt seine Geschichte. Genauer gesagt: Viele haarsträubende Geschichten. Von Krieg und Leid, von Hass und Gewalt. Dann kam er irgendwie nach Deutschland. Ohne Sprachkenntnisse und ohne alles.
Eine ältere Frau, die nur schwäbisch spricht, kam öfters vorbei. Sie fragte ihn und die anderen Asylbewerber nach ihrer Muttersprache und versuchte, ihnen eine Bibel in dieser Sprache zu besorgen. Dann hatte sie ihre deutsche Bibel auf dem Schoß und schlug den neuen Freunden die gleiche Stelle in ihrer Sprache auf. So kam mit viel Radebrechen und viel Gestik und Mimik das Evangelium zur Sprache. Er erzählt:
„Die meisten meiner Kollegen hatten nach einer Weile kein Interesse mehr. Aber ich..
Und so lernte ich Jesus kennen. Immer besser. Heute gehöre ich ihm. Wie es mit mir in Deutschland weitergeht, weiß ich nicht. Vielleicht werde ich abgeschoben. Vielleicht geht es mir dann sehr schlecht. Vielleicht kann ich hierbleiben. Das wird auch nicht einfach. Aber ich habe keine Angst. Ob ich abgeschoben werde oder bleibe – Jesus ist da. Er ist dabei.“

„Das Verlangen der Elenden hörst Du, Herr; Du machst ihr Herz gewiss.“
„Du hörst die Elenden und gibst ihnen ein festes Herz,“ heißt es in Psalm 10, 17.

Mir ist keine Geschichte bekannt, wo Jesus einen Menschen im Elend NICHT gehört hätte.
Mitten im Elend schenkt er ihnen ein Herz, das Frieden hat.
Es gibt kein Elend auf dieser Welt, das Jesus nicht hört.

Hören wir, was Jesus hört?
Oder hören wir nur, was wir hören wollen? Oder hören wir überhaupt nichts?
Wenn wir Jesus zuhören, dann hören auch wir die Seufzer und Schreie der Elenden.

Gut, dass es Organisationen gibt, die für Menschenrechte kämpfen.
Gut, dass es in der Geschichte der Christenheit nicht nur Hörgeschädigte gibt, sondern auch einen William Wilberforce, der das Elend der Sklaven nicht mehr überhören konnte und als Politiker ein Leben lang für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte.
Gut, dass es inzwischen auch in Deutschland Politikerinnen und Politiker gibt, die für verfolgte Christen aufstehen.
Gut, dass unser Herr uns heute zuruft: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden.“
Gut, dass er uns dadurch heute schon ein festes Herz schenkt.
Dem kurdischen Bekannten. Mir. Und Ihnen.

Autor/-in: Pfarrer Matthias Adt