28.10.2022 / Andacht

„Probier’s mal mit Gemütlichkeit…“

Warum ich bei Jesus auch langsam machen darf.

Leiden Sie auch manchmal unter Effizienzismus? Ich gebe zu, ich schon. Und dabei gibt es dieses Wort nicht einmal. Aber es sollte erfunden werden, finde ich. Denn es beschreibt für mich ziemlich effizient den Zwang, immer effizient sein zu müssen. Und damit bringe ich mich selbst ganz schön unter Druck.

Denn leider macht mein Umfeld es mir in dieser Hinsicht nicht gerade einfach: Mit zwei kleinen Kindern von 1 und 4, die aufgrund der aktuellen Lage recht häufig daheim sind, schaffe ich jeden Tag nur einen Bruchteil dessen, was ich mir vorgenommen habe. Ich habe die Wäsche wegsortiert? Die Kleine hat die Sockenschublade schon wieder ausgeräumt. Ich habe vor dem Essen gewischt? Nach dem Essen ist vor dem Essen!

War Jesus effizient?

Wie ich es auch drehe und wende, nie schaffe ich das mir vorgenommene Pensum. Deshalb habe ich immer den Eindruck, mich beeilen zu müssen. Schnell noch dies, schnell noch jenes. Bloß die vorhandene Zeit sinnvoll nutzen. Keine Leerräume ungenutzt lassen.

Heute kam mir da der Gedanke: War Jesus eigentlich effizient? Das kann ich so nicht sagen. Während seiner Wirkungszeit auf Erden hätte es doch wirklich einiges an Optimierungspotenzial gegeben: Nur ein Geheilter am Teich von Bethesda? Warum nicht gleich alle auf einen Schlag gesund machen? Vierzig Tage allein in der Wüste? In der Zeit hätte Jesus eine Predigtreise durch ganz Israel unternehmen können. Kurz: Mit einem vernünftigen Zeitmanagement hätte Jesus mehr predigen, mehr heilen, mehr erreichen können. Warum tat er das nicht?

Offensichtlich war dies nicht sein Ziel. Stattdessen hatte Jesus immer den Einzelnen im Blick. Er war beziehungsorientiert – immer mit vollem Herzen bei der Person, die gerade vor ihm stand. Und er hat mit den eigenen Kräften sinnvoll gehaushaltet: Er hat sich regelmäßig zurückgezogen, um Zeit allein beziehungsweise im Gebet mit dem Vater zu verbringen. Langfristig gesehen war Jesus damit effektiver, als wenn er aus jedem Tag das Maximum an Effizienz herausgequetscht hätte.

Mach schneller, Jesus…!

Jesus hatte die Ruhe weg. Damit machte er sein Umfeld teilweise ganz rappelig: Die Jünger wecken Jesus, als er mitten im Sturm auf dem See Genezareth friedlich schläft: „Herr, rette uns, wir gehen unter!“ (Matthäus 8,25) – Schnell, Jesus, tu was, bevor wir alle sterben! Als Jesus vor 5.000 Menschen eine lange Predigt hält, weisen die Jünger ihn auf die späte Uhrzeit hin: „Es ist schon spät und die Gegend hier ist einsam.“ (Markus 6,35) – Jesus, mach mal hinne, bald geht die Sonne unter und die Leute haben nix zu essen.

Und Marta macht Jesus Vorwürfe, dass er nicht rechtzeitig da war, um Lazarus zu heilen: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, hätte mein Bruder nicht sterben müssen.“ (Johannes 11,21) – Jesus, warum hast du dich nicht etwas beeilt?

Dem Neuen Testament zufolge hat Jesus nur zweimal andere zur Eile aufgefordert (Zachäus und die 72 Jünger, siehe Lukas 19,5 und Lukas 10,4). Ansonsten ruhte er in sich.

Jesus hetzt mich nicht

Ich denke, dass Jesus auch viel gelassener auf meinen chaotischen Haushalt und die unerledigten Aufgaben blickt als ich selbst. Jesus hetzt mich nicht. Bei ihm geht es nicht um kurzfristige Effizienz, sondern darum, ob ich langfristig gesehen effektiv in der mir gottgegebenen Aufgabe bin. Aktuell ist diese Aufgabe für mich vor allem, meine Kinder in Liebe großzuziehen. Ob im Haushalt alles blitzt und glänzt, steht an zweiter Stelle – oder noch lange dahinter.

In diesem Zusammenhang kommt mir ein Vers aus Prediger 9,10 in den Sinn: „Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu.“ Und was ich eben nicht schaffe, das schaffe ich morgen. Oder es erledigt sich von selbst. Vielleicht schafft meine Kleine es ja eines Tages, die Socken auch alle wieder einzuräumen.

Autor/-in: Theresa Folger

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