19.05.2022 / Aktuell

Pro und kontra Werbeverbot für Abtreibungen

Experten legen ihre Positionen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags dar.

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Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP gemeinsam beschlossen: Das Werbeverbot für Abtreibungen soll fallen. Nach einer hitzigen Diskussion im Bundestag am 13. Mai 2022 wurden am 18. Mai im Rechtsausschuss Experten angehört. Lebensschützer bemängelten, dass bei der aktuellen Diskussion die Würde des ungeborenen Lebens unter den Tisch falle. Doch auch die Befürworter eines liberaleren Abtreibungsrechts sind keine glühenden Verfechter des Schwangerschaftsabbruchs – vor allem, wenn sie selbst Ärztinnen und Ärtze sind. Oliver Jeske berichtet.

Es steht nicht gut um das Thema Abtreibung in Deutschland,

so Albrecht Weißbach, Geschäftsführer der christlichen Lebensschutzorganisationen KALEB am vergangenen Mittwoch (18. Mai 2022) im Deutschen Bundestag.

Der Rechtsausschuss hatte ihn und weitere neun Sachverständige eingeladen zu der Frage Stellung zu nehmen: Soll es weiter ein Werbeverbot für Abtreibungen in Deutschland geben? Oder gehört es – wie von der Ampel-Koalition geplant - abgeschafft? Weißbach verweist in diesem Zusammenhang auf rund 100.000 legale Abtreibungen in Deutschland jährlich und weist auf ein gesetzgeberisches Dilemma hin:

Ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass die einseitige Betonung auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau vielfach die Tatsache der Existenz eines neuen Menschen unterschlägt.
 

„Wir sehen mehr als einen Zellhaufen“

Genauso argumentiert auch Professorin Angela Köninger. Die Chefärztin für Frauenheilkunde am Klinikum Regensburg bemängelt wie Weißbach ein Informationsdefizit. Bis zur 12. Woche ist eine Abtreibung in Deutschland möglich. Kaum eine Frau wisse, wie weit das Kind im Mutterleib zu diesem Zeitpunkt schon entwickelt sei:

Als Frauenärzte haben wir tagtäglich Einblicke in die frühe Embryonalentwicklung. Wir sehen schon in der fünften Schwangerschaftswoche mehr als einen Zellhaufen .

Aus diesem Grund sollten Ärzte nach Ansicht Köningers nicht für den bei ihnen durchgeführten Schwangerschaftsabbruch werben dürfen:

Es stellt einen Dammbruch dar, denn man bewirbt nur das, was man auch für erstrebenswert hält.

Vielmehr sollte nach Angela Köninger eine sachliche Information im Vordergrund stehen. Dazu gehöre es, von einem Embryo beziehungsweise Fötus zu sprechen, der bei der Abtreibung entfernt werde.

„Gespür für das Kind geht verloren“

Stimmen, die von einem Absaugen von Schwangerschaftsgewebe sprechen, führten in die Irre. Sie nähmen das Heranwachsende Leben in seiner Würde nicht ernst, so Doktor Natascha Sasserath-Alberti vom Katholischen Büro in Berlin. Ihre Befürchtungen, sollte das Werbeverbot für Abtreibungen fallen:

Wenn durch die Art und Weise der Darstellung das Gespür für das Kind und sein eigenständiges Lebensrecht in der Öffentlichkeit verloren geht, dann wird auch das verfassungsrechtlich gebotene Schutzkonzept für das ungeborene Leben nicht mehr verstanden.

Die katholische Vertreterin verweist auf das Bundesverfassungsgericht. Die Richter hatten in einem Urteil klargestellt, der Gesetzgeber müsse Sorge tragen, dass Abtreibung nicht zur Normalität in Deutschland werde.

Hänel: „Es ist an mir hängen geblieben“

Insgesamt war es die Mehrheit unter den Sachverständigen, die eine Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen gutheißen, wie der Bericht der Pressestelle des Deutschen Bundestages vermerkt. Die sicherlich prominenteste Vertreterin unter ihnen ist die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hähnel. Sie hatte über die in ihrer Praxis durchgeführten Abtreibungen im Internet informiert und war zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zu ihren Beweggründen sagt sie:

Nicht, weil es mein Kindheitswunsch war, so wie andere Prinzessin werden wollen, wollte ich Abtreibungsärztin werden. Aber es hat niemand anderes machen wollen und dadurch ist diese Aufgabe irgendwie am Ende bei mir hängen geblieben.

Genauso wie Abtreibungsgegner sieht Hänel sich von ethischen Maßstäben geleitet:

Mir als Ärztin ist es aus ethischem Handeln heraus wichtig, dass die medizinische Versorgung für Betroffene gewährleistet ist und dass Kinder, die auf die Welt kommen, gewollt, angenommen und geliebt sind.

Ob das im Umkehrschluss aber eine Abtreibung rechtfertigt, wenn ein Kind nicht gewollt ist? Die schlüssige Begründung dafür blieb Kristina Hänel schuldig bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Vielmehr drängte sich die Frage auf: Wie können Frauen ermutigt werden zu ihrem eigenen Kind?

Der Druck auf die Frauen

Statt über ein Werbeverbot zu diskutieren, forderte Albrecht Weißbach von KALEB, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für werdende Mütter müssten sich verbessern. Denn es sei äußerer Druck, der Frauen zur Abtreibung zwinge.

Sie haben sich dazu drängen lassen durch eine kinderunfreundliche Umgebung, durch ihre eigene Unsicherheit, finanzielle Sorgen und durch Partner, die die Schwangerschaft ablehnen und durch ablehnende Eltern, Familien, Arbeitgeber. Wir reden hier über einen Anteil von schätzungsweise 30% aller Schwangerschaftsabbrüche.
 

Autor/-in: Oliver Jeske

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