15.09.2009 / Wort zum Tag

Philipper 3,7-8

Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn.

Philipper 3,7-8

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Der Apostel Paulus hatte sehr wohl ein Leben vor seinem Christsein und das war gar nicht so schlecht. Top ausgebildet, war er ein sicherer Anwärter auf die spätere Mitgliedschaft im Hohen Rat, dem höchsten religiösen Gremium, dem man damals in Israel während der römischen Besatzungszeit angehören konnte. Auf sein Wort hat man etwas gegeben – auch in Fachkreisen. Er konnte sogar – mehr oder weniger – eigenständig die Verfolgung der ersten Christen organisieren und durchziehen. Der Hohe Rat gab ihm offenbar bereitwillig die entsprechenden Vollmachten und Empfehlungsschreiben in die Hand.

Eigentlich hätte er doch zufrieden sein können. Der Pharisäer Paulus von Tarsus hätte alles gehabt, was zu einem guten und sorglosen Lebens dazu gehört: wirtschaftliche Unabhängigkeit, Macht und gesellschaftliches Ansehen – aber er hat all das eingetauscht. Und wogegen? Wanderprediger ist er geworden, Missionar, verfolgt, verachtet, angegriffen von allen Seiten. Seine theologische und politische Karriere ist erledigt, dafür aber kann er gleich mehrere Gefängnisaufenthalte aufweisen und wurde an verschiedenen Orten wegen seiner Botschaft körperlich misshandelt. In Athen hat man ihn beispielsweise öffentlich ausgelacht und zum Schwätzer erklärt.

Warum gibt er sich das alles? War das frühere Leben für ihn nicht um Klassen besser? Bereut er seinen neuen Weg? Nein, sagt Paulus – ganz im Gegenteil. Rein äußerlich betrachtet scheint das doch ein ziemlich unvorteilhafter Tausch gewesen zu sein. Aber tatsächlich ist es gerade umgekehrt, auch in den Augen des Apostels. "Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn." Warum kann Paulus das denn hier so sagen? Warum trauert er dem Verlorenen nicht nach? Wir wollen uns die Frage hier noch einmal stellen.

Ist das Christsein denn für ihn so völlig problemlos und rundum allezeit glücklich machend, dass er es für derart konkurrenzlos hält, wie er das hier beschreibt? Kennt Paulus denn nicht die geistlichen Ermüdungs- und Entmutigungserscheinungen, die uns zuweilen so zu schaffen machen? Woher kommt eigentlich bei ihm diese Leidenschaft für Jesus und dieser dynamische Antrieb seines Glaubens, der ihm allen Glanz und Gloria aus früheren Zeiten (nach seinen eigenen Worten) wie Gassendreck erscheinen lässt?

Das ist doch so weit weg von meinen eigenen Erfahrungen – sagen Sie vielleicht. Kennt Paulus denn keine Schwachheiten? Doch, Paulus kennt auch die Frustrationen des Lebens. Er kennt sehr wohl die Höhen und Tiefen unserer menschlichen Begeisterungsfähigkeit und seelischen Befindlichkeiten. Er ist selbst von Menschen – auch von Mitchristen – zeitweise zutiefst enttäuscht worden. Nein, der Apostel schreibt hier nicht von einem anderen Stern. Er kennt die Fragen und Anfechtungen sehr wohl, mit denen wir uns auch heute noch herumschlagen. Bleibt die Frage: Wie kommt der Mann dann also dazu, von seinem Glauben und von seiner Gottesbeziehung so konkurrenzlos begeistert zu sprechen?

Ich denke, Paulus ist deshalb nicht rückwärts orientiert und trauert Altem nicht nach, weil er fest entschlossen nach vorne schaut. Er hat ein klares Ziel vor Augen hat, auf das er zugeht, nämlich Jesus erkennen und ihm näher kommen. Er will Anteil an seiner Kraft, seinen Leiden und der ewigen Zukunft in der Gemeinschaft mit ihm haben. Der Apostel ist durch und durch Jesus-orientiert. Er ist für ihn das Zentrum seines Universums. Das ist – wie ich meine - im Wesentlichen der Grund seiner Begeisterung und Zielstrebigkeit. Das Geheimnis eines leidenschaftlichen, bewegten und bewegenden Christseins liegt offenbar in dieser aktiven Ausrichtung auf Jesus hin. Darin liegt eine göttliche Dynamik, die unsere Trägheit und Müdigkeit überwinden kann, unsere Bewertungsmaßstäbe und Prioritätenlisten auf den Kopf stellt und die uns selbst im scharfen Widerspruch anderer Menschen oder Institutionen nicht zurückweichen lässt. Paulus hat das so erlebt. Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn.“
 

Autor/-in: Bernhard Heyl