04.12.2007 / Petrus

Petrus, der gebrochene Fels

Jesus erspart uns schmerzvolle Zeiten nicht, aber er lässt uns niemals auf uns allein gestellt zurück.

Ein Schicksalsschlag aus heiterem Himmel nimmt mir die Luft zum Atmen. Wie soll es jetzt weitergehen? Warum muss das geschehen? Wieso nimmt Gott mir, was mir wichtig ist und lässt mich alleine in meinem Schmerz, gebrochen und verletzt? Und mein Schmerz schlägt um in Aggression, Trotz und Furcht. Wut mischt sich mit Verzweiflung und Leere… Manchmal scheint uns Jesus allein zu lassen in unserem Schmerz, überfordert, perspektivlos und traurig. Jesus erspart uns solche Zeiten nicht, aber er lässt uns niemals auf uns allein gestellt zurück.

Die Welt des Petrus bricht zusammen. Sein bester Freund wurde verraten, in Fesseln gelegt, abgeführt und wie ein Verbrecher behandelt. Sein Leben liegt vor ihm in Trümmern. Der Mensch, der ihm eine Perspektive gegeben hatte, bei dem er sich angenommen, geschätzt und wichtig fühlte, wird ihm genommen. Eine grausame Realität bricht sich mit Macht Bahn und lässt alle Träume platzen wie Seifenblasen. Ohne Jesus bleibt Petrus nichts mehr. Er fühlt sich belogen und betrogen um alle seine Träume.

Die Gefangennahme von Jesus in Getsemane: Nachzulesen im Johannesevangelium Kapitel 18,1-12

Damit kann er nicht umgehen. Die Verzweiflung macht ihn rasend und Wut gegen die Ungerechtigkeit kocht in ihm hoch. Mit allen Kräften bäumt er sich auf: Das ist gegen alles, was er bisher glaubte. Hilflos greift er zum Schwert. Die Wut schlägt um in unkontrollierte Aggression. Wut gegen das Schicksal. Wut gegen Jesus, der das mit sich machen lässt. Wut gegen Gott, der ihm soviel gab und ihm in einem Augenblick scheinbar alles wieder nimmt. In dieser verzweifelten Raserei schlägt er einem Soldaten ein Ohr ab.

Doch Jesus sieht Simon-Petrus. Er versteht die tiefe Hilflosigkeit, fühlt seinen Schmerz über das was gerade passiert. Aber den nimmt er ihm nicht weg, noch nicht, sondern sagt nur: „Hör auf damit. Lass das Schwert stecken. Das hier hat Gott für mich bestimmt, ich muss es tun.“ Keine Worte des Trostes für Petrus von dem Mann, der so vielen Menschen half. Hilflos muss er mit ansehen, wie Jesus gefangen genommen und abgeführt wird.

Manchmal scheint uns Jesus allein zu lassen in unserem Schmerz und scheint weit weg zu sein. Wir sind auf uns allein gestellt, überfordert, perspektivlos und traurig. Jesus erspart uns solche Zeiten nicht.

Petrus folgt Jesus heimlich, beobachtet die Vernehmung. Er sitzt draußen am Lagerfeuer, als ein Soldat ihn erkennt: „Gehörst Du nicht auch zu diesem Jesus!?“ Diese Frage ist existenziell: Jesus gefangen, die Wundermacht gebrochen. Glaubt er noch an ihn? Will er wirklich noch zu ihm gehören? Will er das Leid, das Jesus über ihn gebracht hat, wirklich annehmen und Ja sagen? Petrus sagt Nein und meint es wohl auch so. Tiefe Enttäuschung, Angst, Verletztheit und Trotz sprechen aus seinen Worten.

Als der Hahn kräht und Jesus ihn ansieht, geht Petrus und heult alles heraus. Der Mann, der Petrus – Fels – genannt worden ist, zerfließt in Tränen nach einem einzigen Blick des gefangenen Jesus. Der Blick hat ihn berührt und drang in sein Innerstes vor. Jesus hatte Petrus prophezeit, dass er ihn verleugnen würde. So wird dieser Blick wissend und leidend gewesen sein, verständnisvoll und doch traurig. Die Liebe trotz der Gewissheit, dass er ihn verleugnen würde, macht Petrus es unmöglich diesem Blick stand zu halten.

Und doch findet Petrus darin, was er sucht: Bestätigung! Was er mit Jesus erlebt hat, war keine Luftblase. Jesus ist immer noch der, der er vorher war. Alles, was er gesagt hat, steht immer noch. Petrus erkennt und weint – vielleicht aus Dankbarkeit gemischt mit der Enttäuschung über sich selbst – über den Draufgänger, der erst vor kurzem geschworen hatte, mit Jesus in den Tod zu gehen, wenn es sein müsse.

Alles, was Petrus etwas bedeutet hatte scheint dahin. Seine Zukunft in den Händen der römischen Justiz, der Christenverfolger aus dem eigenen Volk, sein Glaube am Boden, hört er fassungslos davon, Jesus sei auferstanden. Der Evangelist Markus berichtet, dass die Frauen, die das leere Grab finden, von den Engeln den Auftrag bekommen, „seinen Jüngern, vor allem Petrus“ von der Auferstehung zu berichten. Petrus wird besonders genannt, sein Leid ist bei Gott nicht vergessen. Er wird ausgezeichnet unter allen Jüngern; Er, der am meisten gelitten und am meisten gesündigt hat.

Und er trifft Jesus wieder

Jesus fragt ihn dreimal, ob er ihn lieb hat. Schwer zu übersetzende Stelle, denn Jesus benutzt zunächst das Wort „Agape“. Er fragt Petrus, ob dieser ihn mit göttlicher, nie aufhörender Liebe lieb habe. Luther übersetzt, hast Du mich „mehr lieb als diese?“ Doch Petrus kann nur mit der Liebe der Freundschaft, der „Filia“ antworten. So sagt er: „Du weißt, dass ich Dein Freund bin.“ Erneut fragt Jesus nach der „agape“, „Kannst Du mich lieben, wie Gott liebt?“

Doch wieder kann Petrus nur mit der „Filia“ antworten. Beim dritten Mal macht Jesus (sprachlich) einen Schritt auf Petrus zu und fragt ihn, ob er („Filia“) sein Freund sei. Und Petrus bestätigt traurig, dass das der Fall ist. Unfähig, eine Liebe zu lieben, die Gott schenkt, muss auch der Draufgänger Petrus erkennen, dass er den Ansprüchen Gottes nicht genügen kann.

Und doch gibt Jesus ihm einen Auftrag

Zuerst bittet er ihn: „Sorge für meine Lämmer“ – Der „Fels“ soll den jungen Nachfolgern beistehen. Doch schon beim zweiten Mal steigert Jesus den Auftrag und bittet ihn, „Leite meine Schafe!“ Er soll nicht nur die Jungen schützen, sondern auch den „alten Hasen“ vorangehen (Übrigens der Satz auf den sich die Katholiken berufen, Jesus habe Petrus zum Hirten und Stellvertreter gemacht – der Papst sitzt als Nachfolger „auf dem Stuhl Petri“).

Beim dritten Mal steigert Jesus erneut den Auftrag, indem er ihn bittet: „Sorge für meine Schafe!“ – Perus soll sich also auch fürsorglich um die älteren Nachfolger kümmern – Jesus überträgt ihm tatsächlich die Verantwortung für die gesamte Christengemeinde!
(Johannes 21,15 bis 17)

Wieder scheint Petrus der Verletzte, der Vorgeführte und Gedemütigte zu sein, weil er dem Liebesanspruch des Sohnes Gottes nicht genügt. Aber wer kann diesem Anspruch genügen, Gott zu lieben, mit ganzer Kraft und von ganzer Seele, außerdem seinen Nächsten zu lieben, wie sich selbst? Hier wird ebenfalls „Agape“ gefordert – ein Anspruch, der schier nicht zu erfüllen ist. Jesus fordert dennoch nichts Unmögliches, denn er will diese Liebe schenken.

Auch dem Petrus, der schmerzlich erkennen muss, dass auch er nur ein Mensch ist, dass auch er auf das Geschenk der Liebe angewiesen ist, das von Jesus ausgeht. Diese Liebe heilt die tiefen Verletzungen, die Petrus beigebracht sind. Diese Liebe gibt Petrus die Hoffnung, die Zukunft, die Perspektive und den Sinn wieder. Diese Liebe, die personifiziert ist und die wieder auferstanden ist. Jesus lebt.

Petrus musste in seinem Leben noch sehr viel leiden und sogar für seinen Glauben sterben. Aber er wusste, dass die Versprechungen, die er bekommen hatte, Bestand haben. Und das gilt für jeden von uns. Der Blick von Jesus, ja Jesus selbst sucht auch Dich!

Wenn Du verzweifelt am Boden bist, wenn Du am Ende bist und alles, worauf Du bisher gebaut hast und was Dir lieb war zertrümmert ist, wenn Du ganz unten angekommen bist, ohne Zukunft, ohne Hoffnung und hilflos in Deinem Schmerz, dann vergisst Jesus Dich nicht.

Erinnere Dich daran, dass sein Plan weiter reicht. Er hat die Zukunft im Blick und will Dir durch Dein ganz persönliches Leid hindurch helfen. Seine Liebe kann die tiefsten Wunden heilen. Selbst in den dunkelsten Stunden gelten seine Worte:
„Ich will bei euch sein alle Tage, bis an der Welt Ende.“