27.10.2019 / Wort zum Tag

Ostern feiern im Herbst - der zweite Blick lohnt sich!

Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

2. Korinther 4,10

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Heute ist ein Herbstsonntag und vielleicht passt ja die Stimmung draußen zur absterbenden Natur und den herabfallenden Blättern zu unserem Tageswort:

Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leib, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde. (2. Kor. 4,10)

Zugegeben – auf den ersten Blick löst diese Feststellung des Apostels Paulus bei mir keine Feiertagsstimmung und schon gar keine sonntäglichen Gefühle aus. Mein Bedürfnis nach einem erbaulichen Start in den Tag wird nicht gestillt und mein frommes Wohlbefinden fühlt sich angekratzt. Wie gesagt: Auf den ersten Blick!

Da ich mich grundsätzlich gerne provozieren lasse, richte ich einen zweiten Blick auf dieses Wort. Und welche Überraschung: Da entdecke ich kurz vor dem grauen November mit seinen Totengedenktagen – OSTERN! Das Leben Jesu soll an unserem sterblichen Leib offenbar werden! Also haben doch nicht Sterben und Tod das letzte Wort, sondern der lebendige Jesus Christus!

Und ich atme auf, denn das entspricht ja genau dem, was die Gottesdienste an jedem Sonntag feiern wollen: Die Überwindung des Todes durch die Auferstehung Jesu Christi. Gerade wenn uns das fallende Herbstlaub an unsere eigene Vergänglichkeit erinnert, brauchen wir die Hoffnung, dass nach jedem harten Winter der Frühling kommt – will heißen: Nach jeder Leidens- und Sterbenszeit erwartet uns das ewige Leben in der Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott. 

Übrigens bekennen wir das im apostolischen Glaubensbekenntnis. Das ist nicht nur eine liturgische Tradition in vielen Kirchen, sondern eine heilsame Therapie besonders dann, wenn unsere Tage dunkel und leidvoll sind.

 Genau davon ist Paulus überzeugt. In seinem zweiten Brief an die Korinther unterbricht er die Aufzählung aller seiner notvollen Erfahrungen, Ängste, Zweifel und Depressionen ständig mit einem trotzigen «Aber»: «Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir werden verfolgt, aber nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leib, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde.»

Paulus ist aufgrund seiner Erfahrung fest davon überzeugt, dass es da noch eine andere Wirklichkeit gibt. Diese vier «Aber» weisen hin auf eine letzte Geborgenheit.

Inmitten erlebter Not leuchtet eine hoffnungsvolle Perspektive auf: «Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.» So hat Paulus Jahre später seine Erkenntnis im Brief an die Römer (8,38f) zusammengefasst.

Autor/-in: Pfarrer i. R. Peter W. Henning