15.07.2024 / Wort zum Tag

Orientierung gesucht

Als Jesus aus dem Boot stieg, sah er die vielen Menschen, und sie taten ihm leid, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Markus 6,34

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Sollte Sie jemand mal mit einem Schaf vergleichen, so würden Sie da darauf vermutlich verärgert reagieren. Denn nach landläufigem Verständnis werden Schafe eher als dumm angesehen, was allerdings in keiner Weise zutrifft. Trotzdem möchte wohl kein vernünftiger Mensch unter die Schafe eingereiht werden. Aber genau so schätzt Jesus seine Zeitgenossen ein. In dem biblischen Wort aus dem Markusevangelium, Kapitel 6, Vers 34 lesen wir: „Als Jesus aus dem Boot stieg, sah er die vielen Menschen, und sie taten ihm leid, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“.

Wie Schafe, die keinen Hirten haben; die also orientierungs- und führungslos durchs Leben stolpern: so sieht Jesus offenbar die Menschen seiner Zeit. Und das meint er nicht abwertend von oben herab, sondern weil die Menschen ihm leidtun. Dabei ist Mitleid noch ein zu schwaches Wort. Zutreffender könnte man vom griechischen Urtext auch so übersetzen: Es packte Jesus das Erbarmen beim Anblick der Menschen. Aber es bleibt ja nicht bei dieser Feststellung. Wenig später bietet sich Jesus diesen orientierungslosen Menschen als guter Hirte an, der sie zum frischen Wasser führt, sie satt macht, ihnen Orientierung und Halt gibt und damit zugleich ein erfülltes Leben schenken will.

Wie würden wir heute reagieren, wenn Jesus auch uns als Schafe ohne Hirten ansehen würde? Sind wir denn ebenso wie die Menschen damals hilfsbedürftig und dringend auf Führung angewiesen? Hieße das also, dass wir aus eigenem Vermögen nicht in der Lage wären, unser Leben mit all seinen Herausforderungen, Nöten und Belastungen zu bewältigen?  Wäre das so, dann würde es ganz schön an unserm Selbstbewusstsein kratzen. Denn viele sind doch überzeugt, autonom d.h. selbstbestimmt über ihr Leben verfügen zu können und sich dabei von niemandem reinreden und Vorschriften machen zu lassen.

Doch stimmen Anspruch und Wirklichkeit überein? Ist nicht eine wachsende Zahl von Menschen seelisch angeschlagen und fühlt sich bei der Bewältigung ihres Lebens überfordert?  Und werden wir nicht alle gegenwärtig mit einer Häufung globaler Krisen, Kriege und Katastrophen konfrontiert, für die selbst Politiker, Wissenschaftler und Experten keine Antworten und Lösungen parat haben, geschweige denn wir normalen Bürger? Mir scheint, wir Menschen der Gegenwart gleichen immer mehr dem Zauberlehrling aus Goethes Ballade, der zuerst noch stolz ist, mit seiner Zauberformel Dinge in Gang zu setzen, die ihm dann aber kraft ihrer Eigengesetzlichkeit über den Kopf wachsen. Sie kehren sich unheilvoll in ihr Gegenteil um. Aber jetzt fehlt dem Zauberlehrling die rettende Formel, um den Spuk zu beenden. Am Ende ruft er voller Schrecken den Meister herbei: „Herr, die Not ist groß. Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“.

Ich bin überzeugt, dass wir auch heute dringend den Meister brauchen, um die Geister, die wir riefen und uns runterziehen, loszuwerden. Wir aufgeklärten und emanzipierten Menschen unserer Tage sollten nicht zu stolz sein, uns mit unseren Nöten und Ratlosigkeiten hilfesuchend an den lebendigen Gott zu wenden. Sein Sohn Jesus bietet uns auch heute an, als der gute Hirte liebevoll für uns zu sorgen. Mögen uns globale Krisen wie auch unser persönliches Schicksal mit seinen Lasten über den Kopf gewachsen sein: Jesus will auch in den dunklen Zeiten unser Begleiter sein und uns ans Ziel bringen. Diese Zusage gilt. Ganz bestimmt! Probieren Sie es aus!

Autor/-in: Pastor Klaus Jürgen Diehl