06.03.2023 / Wort zum Tag

Nicht viel

Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Matthäus 25,40

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Die Welt um mich herum erschreckt mich. Vor wenigen Wochen gab es ein sehr großes Erdbeben im Grenzgebiet zwischen Türkei und Syrien. Es wird von tausenden Menschen berichtet, die dieses Beben nicht überlebt haben, die Zahl der Verletzten ist kaum abschätzbar. Ganze Dörfer sind nur noch Schutt. Ich sitze hier im warmen Zimmer und frage mich, was ich wohl machen, wie ich helfen könnte. Mitten in diese Überlegung hinein drängen sich Bilder aus meiner Erinnerung. Ich habe einige Jahre für ein kleines Missionsprojekt in Kenia/Afrika gearbeitet. „Brot für Kenia“ war der Name und gleichzeitig Programm. Was wir an Geld und Menschen dorthin gebracht haben, war kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Meine Gedanken überschlagen sich fast. Ich denke an so viele Gebiete auf dieser Erde. Mit Sorge schaue ich in die Ukraine, die Menschen dort sind seit einem Jahr im Krieg. Wie könnte ich da etwas bewirken? Dann lese ich von Touristen, die in Peru festsitzen, weil es dort Unruhen gibt. Oder ich höre von meinem Kollegen, der ein Werk leitet, das Kindern in Brasilien eine Heimat gibt, wie dramatisch sich die Lage dort entwickelt. Wie eine Woge überschüttet mich gleichsam das Gefühl von Hilflosigkeit. Angesichts dieser immensen Herausforderungen über den ganzen Erdball verteilt.

Und wieder mitten in diesen Gedanken erreicht mich eine Mail, dass da eine Frau nicht zum vereinbarten Beratungstermin kommen kann. Es tut ihr so leid, weil hier ein Raum ist, in dem sie ihre Not in Worte fassen kann und wertschätzendes Zuhören erlebt.

Kann ich überhaupt etwas tun, etwas ändern?

Ich schlage in der Bibel nach und lese von dem Tag, an dem sich vor Jesus alle versammeln, die je auf der Erde gelebt hat. Vor ihm wird sich jeder verantworten müssen. Was habt ihr getan – was unterlassen?

Auch dieser Gedanke erschreckt mich, habe ich doch so wenig vorzuweisen.

Da lese ich von denen, die von Jesus gelobt werden, weil sie ihn, als er es nötig hatte, versorgt, besucht und beherbergt hatten. Sie fragen erstaunt zurück, wann sie Jesus wohl zu Essen oder ihm Kleidung gegeben hätten. Auch die, von denen da berichtet wird, hatten ihrer Meinung nach nicht viel vorzuweisen.

Sie erhalten eine erstaunliche Antwort: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Matthäusevangelium, Kapitel 25, Vers 40

Nun kann man darüber nachdenken, wer wohl die „geringsten Brüder“ sind. Das will mir im Augenblick aber nicht durch den Kopf.

Ich denke wieder an die Menschen in der Türkei und Syrien, die alles verloren haben. Ich nehme die Menschen in der Ukraine in den Blick, die sich in den Kellern wegducken. Ich denke an die vielen in Kenia, die ich mit Namen kenne. Vor meinem inneren Auge ziehen die Unruheherde dieser Welt vorüber. Und auch die Frau, die zu einem nächsten Beratungsgespräch kommt und auch den Mann, den ich seit Monaten in seinem Trauerprozess begleite und auch an die Sterbende, der ich gestern im Altenheim beim Beten die Hand aufgelegt habe. … und an so viele andere.

Sie brauchen Essen und Trinken. Sie brauchen Decken und ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen Zuwendung und Trost. Sie brauchen Einfühlungsvermögen, Zuversicht und Gebet. Wiederum mitten in diesen Gedanken blitzt ein neuer Gedanke auf. Ich kann die Welt nicht retten – nein. Aber ich kann einem Menschen nahe sein. Mit dem, was ich kann und geben kann. In aller Bescheidenheit, Schwachheit und mit allen Unmöglichkeiten meines eigenen Lebens. Das aber werde ich tun. Und hoffe, dass ich bei denen bin, zu denen Jesus dann sagt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“

Autor/-in: Werner Bücklein