19.06.2023 / Wort zum Tag

Nicht verlassen – sich verlassen!

Alle, die dich verlassen, müssen zuschanden werden; denn sie verlassen den HERRN, die Quelle des lebendigen Wassers.

Jeremia 17,13

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„Das Blumengießen in deinem Arbeitszimmer ist deine Sache, lieber Mann,“ sagte meine Frau oft zu mir. „Du kommst da viel öfters rein als ich.“ Recht hatte sie. Trotzdem passierte es mir, dass so mancher Blumentopf längere Zeit keinen Tropfen Wasser sah. Die Pflanze sah bald entsprechend aus. Ihre Blätter hingen müde herunter, wurden gelb und verwelkten. Manche Pflanze ging sogar ganz ein. „Oh Mann,“ sagte meine Frau dann immer, "vergiss halt das Gießen nicht!“ Recht hatte sie. Recht hatte ein Jeremia, der große Prophet des Alten Testaments, wenn er seinem Gott klagte: „Alle, die dich verlassen, müssen zuschanden werden; denn sie verlassen den HERRN, die Quelle lebendigen Wassers.“

Wie aktuell! Seit langem titeln deutsche Zeitungen: „Den beiden großen christlichen Kirchen laufen die Gläubigen davon!“ Traten 2021 640 000 ihrer Mitglieder aus, waren es 2022 bereits 830 000. Tendenz weiter steigend! Es ist hier nicht der Ort, Gründe dafür zu nennen. Höchstens zu sagen, dass nicht alle Ausgetretenen damit ihr Christsein an den Nagel gehängt, sondern sich nur eine neue geistliche Heimat gesucht haben. Doch die Klage Jeremias ist die Frage an uns, die wir noch in unserer Kirche sind: Wie steht es um unser Christsein? Sind Sie, bin ich, an die Quelle lebendigen Wassers angeschlossen, die der lebendige Gott ist – und das aus vollem Herzen? Nehmen wir nicht bloß sonntags, sondern auch werktags einen kräftigen, wirklich Kräfte schenkenden Schluck aus Gottes Heilquelle, der Bibel? Oder ist Gottes Wort zu lesen für uns zu einer frommen Routine geworden, die unser Herz nicht mehr erreicht? Und ohne es zu merken, dazu führt, dass wir immer mehr die Verbindung mit Gott verlieren?

Ein Jeremia mag solche Gedanken und Befürchtungen auch im Blick auf sich selbst gehabt haben. Jeder rechte Mitarbeiter Gottes predigt nämlich nicht nur anderen, sondern immer auch sich selbst. Sollten Sie daher eben erschrocken sein, sind Sie in bester Gesellschaft! Es war ein heilsamer Schreck. Er führt nicht weiter von Gott weg, sondern wieder näher zu ihm hin! Denn der wohl auch erschrockene Jeremia bittet Gott nach unserem Bibelwort: „Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“

Wohl uns, wenn wir uns diesen Hilferuf zu Eigen machen! Ohne ihn laufen wir Gefahr, dass unser Glaube ermüdet und mit der Zeit welk wird – kraftloser und freudloser. Wir zuschanden werden – bei Gott scheitern. Anders, wenn wir wie Jeremia beten: Gott neu das Vertrauen aussprechen, dass er heilen und helfen kann und will. Es ihm zutrauen, dass unsere Beziehung zu ihm wieder heil, herzlich und eng wird. Er uns dabei hilft und uns dann geholfen ist! Dieses Vertrauen ist kein unbegründeter christlicher Optimismus, sondern ist in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, dem Retter der Welt, verwurzelt.

Gesegnet der Mann, die Frau, die sich auf diesen HERRN verlassen: darauf, dass er mit seinem Tod am Kreuz den Riss zwischen Gott und Mensch geheilt hat. Dieser Heiland ist die Quelle allen Heils! Das hat er selbst versprochen: „Wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten." Der wird nicht vertrocknen wie eine Pflanze ohne Wasser. Dem stillt er seinen Durst nach einem Leben, das sich lohnt – einen Sinn und ein Ziel hat. Den lädt er sogar ein: "Wen da dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." Also, geschenkt. Wenn das so ist, dann nichts wie hin zu Jesus!

Autor/-in: Pfarrer i. R. Gerhard Weinreich