11.05.2023 / Wort zum Tag

Nicht nur meine Welt

Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.

Johannes 3,17

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Kinder erleben die Welt zunächst unvoreingenommen. Da sage ich nichts Neues. Ich z. B. soll laut meiner Mutter ständig mit irgendwelchem Kleingetier nachhause gekommen sein, bis sie es mir abgewöhnt hatte. Wie aber hatte sie mich von meiner Regenwurm- und Käferliebe weggebracht? – Indem sie mir jedes Mal ihren Widerwillen zeigte, bis auch ich die Tierchen ekelig fand.

So einfach geht das! Einer fängt an, einen anderen schlecht zu machen und viele lassen sich beeinflussen. Einer fängt an, Gerüchte zu streuen, und viele glauben ihm einfach, ohne sich selbst zu informieren. Nichts verbreitet sich derzeit so schnell, wie die Empörung über alles und jeden, ganz gleich, ob man sich kennt oder nicht. Verrückte Welt, in der Schein und Sein durcheinander geraten. Aber – war das nicht schon immer so? Auch unter frommen Menschen? Ein Gerücht - und schon war es aus mit der Bruder- und Schwesternliebe. Wir urteilen in der Regel gerne über andere. Und, früher jedenfalls, ganz besonders gerne über die böse Welt.

Ist die Welt wirklich böse? Nein, sie ist nicht böse. Menschen sind böse, wenn sie sich von ihrer Mitmenschlichkeit verabschieden. Wenn sie z. B. Kriege führen und auch noch behaupten, irgendein Wille Gottes stünde hinter ihrer Grausamkeit. Früher mordeten z. B. Christen im Namen ihres Gottes, heute morden etliche Muslime im Namen Allahs. Wer ist nun böse? - Wer den Namen Gottes missbraucht, denke ich. Worin liegt der Missbrauch Gottes? - Indem ich seinen angeblichen Willen für meine Grausamkeiten anführe. Schlimmer geht es nicht. Im Großen wie im Kleinen kommt dieser Missbrauch Gottes vor.

Ein lieber Christ gestand mir einmal folgendes: „Dass ich an Gott, den liebenden Vater glauben kann, ist für mich ein Wunder. Denn mein Vater hat mir den Glauben eingeprügelt, buchstäblich. Er war Gott und ich musste tun, was er sagte.“ Wie kann es sein, dass ein gläubiger Vater so brutal ist?  - Weil jeder Mensch gleichzeitig gut und böse ist.

Jesus kannte wie kein anderer menschliche Beweggründe und Abgründe. Nichts blieb ihm fremd oder verborgen. Will sagen: Keiner konnte sich vor ihm verstecken oder ihm etwas vormachen. Jesus sah hinter die Stirn. Direkt ins Zentrum der Persönlichkeit, der er gerade begegnete. Selbstlügen wurden plötzlich erkannt, wie bei dem Zöllner Zachäus. Selbstmitleid verschwand, wie bei dem Gelähmten, der durchs Dach zu Jesus herabgelassen worden war. Verzweiflung und Schmach verwandelten sich in gesundes Selbstbewusstsein, wie bei der Frau, die Jesus mit ihren Haaren, die Füße getrocknet hatte. Aus der Enge in die Weite, in die Freiheit mit Gott ein liebenswertes Leben zu leben. So ist Jesus! Bis heute macht er aus armseligen Menschlein, freie Gottgebundene, die mit sich und dem Rest der Welt ins Reine kommen. Denn „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ So im Johannesevangelium, Kapitel 3, Vers 17.

Jesus konnte und kann bis heute nicht diejenigen im Stich lassen, die abseits leben, abseits ihrer Gesellschaften, heimatlos in der Fremde oder abgeschirmt, weil sie beherrscht werden von grausamen Regierungen. Gerade sie, das „Gesindel“ der großen weiten Welt, liebt er. Für sie ist er gekommen. Unvorstellbar für seine damalige Zeit. Aber ebenso herausfordernd für das 21zigste Jahrhundert.

Autor/-in: Mag. Theol. Rositta Krämer