20.11.2021 / Wort zum Tag

Nee, oder?

Lasst’s euch nicht verdrießen, Gutes zu tun.

2. Thessalonicher 3,13

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Da bin ich gerade auf dem Weg zur Arbeit – stehe wie immer im Stau – und da will dieser Mensch doch tatsächlich sich vor mir reindrängeln – ohne zu blinken natürlich und nachdem er sich schon vorher dauernd hier und da reingedrängt hat! Nee, mein Lieber, nicht mit mir!

Hm, seltsam, dass mir gerade der Bibelvers einfällt, den ich beim Frühstück gelesen habe: „Lasst’s euch nicht verdrießen, Gutes zu tun!“

Na ja gut, der alte Paulus stand auch nicht im Stau – obwohl - vom Gefühl her kannte er das sicher auch, als er mit seinen Freunden den zweiten Brief an die christliche Gemeinde in Thessaloniki geschrieben hatte: Bei denen hatte sich wohl auch so Manches angestaut. In vielen Versen hat er in diesem kurzen Brief die Gemeinde dort ermuntert, hier und da ihr Verhalten zu überdenken und zu ändern.

Denn sie hatten wohl auch so eine Haltung entwickelt: Hier stehe ich und ich will auch nicht anders!

Und jetzt erhebt sich für mich die Frage: Was mache ich aus diesem Vers für heute – mal so ganz praktisch im 21. Jahrhundert?

Das Wort „verdrießlich“ ist ja so eine Übersetzung, in der wir in Mitteleuropa uns gut wiedererkennen können – und das nicht nur, wenn wir morgens im Stau stehen.

Nun, im Grundtext des Neuen Testaments steht im Griechischen hier wörtlich: „Lasst nicht nach, werdet nicht müde, gebt nicht auf, das Gute und Nützliche zu tun, was die gute Beziehung fördert.“ Denn in der Bibel geht es ja immer um Beziehungen.

Für mich könnte das also heißen, dass ich mein Verhalten heute daran messe, ob ich dem anderen dadurch etwas Gutes tue. Nun gut, Du Stau-Drängler: Ich lasse Dich rein – denn das tut Dir gut – hoffentlich... – na ja doch sicher...

Irgendwie passt dann auch der Bibelvers aus dem Alten Testament dazu für heute. Da heißt es in den Sprüchen von Salomo: „Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag,“

Natürlich könnte ich auf meinem Recht bestehen – der andere hält sich ja nicht an das richtige „Reißverschlusssystem“ im Staßenverkehr. Aber muss ich das wirklich? Soll ich das? Dieser Mensch hat ja wohl ein „Bedürfnis“ und ich kann ihm jetzt was Gutes tun. Vielleicht hat er ja sogar den frommen Aufkleber auf meinem Auto gesehen, als er eben an mir vorbeigefahren ist. Aber selbst, wenn nicht: „Meine Hand vermag es“

Also erhebe ich meine Hand. Nein, nicht zum Autofahrergruß, sondern zu einem freundlichen Wink mit einem Lächeln und tue ihm gut.

Das könnte dann auch ein gutes Motto für den weiteren Tag sein: Ich will nicht müde werden, das zu tun, was dem anderen hilft, was der Beziehung untereinander guttut, am Arbeitsplatz, an der Uni, in der Schule, oder daheim in der Familie oder der Begegnung mit den Nachbarn.

Ja, auch wenn es vielleicht nicht immer ganz leicht ist: Das griechische Wort wird auch verwendet, wenn es um die Presswehen einer Gebärdenden im Kreißsaal geht. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen – dafür lohnt es sich doch, oder?

Denn erstaunlich – nicht nur dem anderen geht es jetzt besser, sondern sogar ich habe ein gutes Gefühl, weil ich den Staudrängler jetzt reingelassen habe...

Autor/-in: Pfarrer Ulrich Nellen