13.05.2024 / Text-Beiträge

Näher zu mir

Lass das Vergleichen sein!

Ich bin letztens über ein Zitat von Johannes Hartl gestolpert, das mir seitdem immer wieder durch den Kopf schwirrt: "Du bist der einzige Mensch, der du sein kannst. Je früher du dich damit versöhnst, desto freier wirst du leben."

Vorteile des Älterwerdens

Ich habe mich gefragt, wie ich eigentlich über mich denke. Kann ich diesen Satz so für mich unterschreiben? Mittlerweile ja. Das Gute am Älterwerden ist, dass man mit der Zeit näher zu sich findet. Zumindest geht es mir so. Während ich noch vor wenigen Jahren ständig mit mir und meiner Persönlichkeit gehadert habe, bin ich heute mit mir im Reinen. Ich weiß, was ich kann und auch, was ich nicht kann.

Lasten der Vergangenheit

Vor kurzem aber wurde ich in einer Situation mit meiner Vergangenheit meinem Selbstbild neu konfrontiert: Mein Sohn ist jetzt in der zweiten Klasse und bekommt seit etwa drei Wochen Noten. Obwohl ich mir fest vorgenommen habe, entspannt damit umzugehen, stellt sich das als schwieriger heraus, als ich dachte. Rational ist mir natürlich klar, dass es um nichts geht. Niemand interessiert sich später für Zeugnisse aus der Grundschule.

Trotzdem fiebere ich bei jedem Test mit und bin gespannt, was am Ende dabei herauskommt. Wahrscheinlich ist das auch total in Ordnung. Schließlich wünsche ich mir für ihn, dass er den Stoff versteht, anwenden kann und Erfolgserlebnisse hat.

Das Gift des Vergleichens

Nicht in Ordnung war allerdings meine Reaktion auf seine erste Note. Ich war total begeistert – soweit so gut – aber dann stellte ich eine Frage, die völlig daneben war: „Und was hat Karl?“ Als ich das ausgesprochen hatte, bin ich über mich selbst erschrocken.

So wollte ich nie werden, denn genau das hatte ich in meiner Kindheit immer wieder erlebt und zutiefst gehasst. Egal, wie gut meine Noten waren, die erste Frage meiner Eltern war jedes Mal: „Und was hat Marion?“. Sie war meine beste Freundin und grundsätzlich besser als ich. Mit ihr konnte ich einfach nicht mithalten, Versagen war quasi vorprogrammiert. Ich glaube, das war auch einer der Gründe, weshalb ich mich lange mit anderen verglichen habe. Meistens kam ich dabei ziemlich schlecht weg. In meinen Augen waren die anderen immer schöner, schlauer, sportlicher, begabter als ich.

„Ich muss niemandem etwas beweisen“

Ich bin Gott total dankbar, dass er in den letzten Jahren so viel in mir wiederhergestellt hat. Heute weiß ich, wer ich bin, und fühle mich damit wohl. Klar geht da noch mehr. Aber das ist ja auch das Großartige an einem Leben mit diesem faszinierenden Gott. Durch ihn darf ich weiter entdecken, was er in mich hineingelegt hat und werde immer mehr zu der Person, die ich sein soll. Ich darf mich verändern, muss aber niemandem etwas beweisen, weil ich geliebt bin. Und nur das zählt.

Dieser Text von Julia Skrotzki wurde zuvor auf www.keineinsamerbaum.org veröffentlicht