12.11.2021 / Wort zum Tag

Mut zur Demut

Alle miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.

1. Petrus 5,5

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Demut ist eine ärmliche Kleidung, so hat es jemand einmal gesagt. Der Philosoph Friedrich Nietzsche verband Demut mit Feigheit und Schwäche. Heute gebrauchen wir eher den Begriff Demütigung. Mächtige missbrauchen ihre Möglichkeiten und demütigen andere.

Will uns unser Gotteswort für heute etwa provozieren, wenn es uns den Rat gibt:

Alle miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade (1.Petrus 5,5)?

Nachdenklich hat mich gemacht, dass wir in der Coronazeit in den Medien ab und zu das Wort „Demut“ hören und lesen konnten. Ein winziges Virus hat uns Menschen gehörig aus der Bahn geworfen. Demut in diesem Zusammenhang erkennt an, dass wir nicht alles im Griff haben, es ist der Mut, Mensch zu sein und nicht Gott spielen zu wollen.

Christliche Demut orientiert sich an der Lebensweise Jesu, der sanftmütig und von Herzen demütig war, wie er selbst im Matthäusevangelium, Kapitel 11, Vers 29 sagt.

„In Jesu Demut kann ich Trost, in seiner Armut Reichtum finden“, heißt es bei Johann Sebastian Bach.

Unser Gotteswort meint nicht, dass wir Demut wechseln, ablegen können wie Hemd oder Bluse. Das griechische Wort das mit „bekleidet euch“ übersetzt ist, meint eigentlich „verknotet euch mit“. Verknotet euch mit der demütigen Lebensweise Jesu. „Seid unter euch so gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus entspricht“, schreibt der Apostel Paulus (Philipper 2,5).

Das Kennzeichen der Christen ist, dass sie sich nicht selbst in den Vordergrund stellen, sondern sich ganz unter Christus stellen, der ihnen seine Gnade, seine Treue und Stärke gibt. Ich erkenne dann meine Stärken und Schwächen. Ich übernehme mich nicht, ich überschätze mich nicht. Dabei mache ich mich selbst ja nicht klein, sondern nehme mutig das an, was meinen Begabungen – das sind ja Gottes Gaben – entspricht.

Demut meint: Ich sage mutig ja zu mir und zu anderen. Es ist falsch verstandene Demut, sich ständig zurückzunehmen oder gar zu entschuldigen, dass man überhaupt da ist. Wenn jemand sagt: “Ich bin nichts, ich kann nichts, ich bin zu nichts nütze“, dann ist das keine Demut, sondern ein schwaches oder fehlendes Selbstbewusstsein. Das braucht aber niemand zu haben, weil Gott jedem Menschen seine Würde gegeben hat.

Ein Rabbi wurde einmal gefragt: „Was ist der Mensch?“ Der Rabbi nahm zwei Zettel. Auf den einen schrieb er: Staub bist du und zu Staub sollst du wieder werden. Auf den anderen schrieb er: Du bist das Ebenbild Gottes. Einen Zettel steckte er in die linke, den anderen in die rechte Hosentasche. „Wenn ich überheblich werde“, sagte er, „dann greif ich in die linke Tasche und lese: Staub bist du. Wenn ich am Boden zerstört bin, dann greif ich in die rechte Tasche und lese: Du bist das Ebenbild Gottes.“

Wir bekleiden uns mit Demut, um anderen zu dienen und zu helfen. Demut hat ihren Ort in der Nachfolge Jesu Christi, im Gegenüber zu Gott, der dem Demütigen seine Gnade gibt und im Gegenüber zu den Mitmenschen. So wächst Demut aus der Kraft der Gnade. Demut ist nie Besitz, sondern muss jeden Tag neu gelebt werden. Sie ist – wie es Albert Altenähr von der Benediktinerabtei Kornelimünster sagt - das Lächeln des Glaubens.

Autor/-in: Superintendent i. R. Rainer Kunick