20.10.2014 / Andacht

Mit Gott in der Wüste

Wie Gott in ausweglosen Situationen Wege schafft. Eine Andacht.

In meinem Ägyptenurlaub habe ich an einer Tour durch den nördlichen Teil der Arabischen Wüste teilgenommen. Wir wurden am Hotel abgeholt und sind auf holprigem Untergrund in die Wüste gefahren. In einiger Entfernung zu einem Abhang haben wir angehalten. Obwohl ich bereits auf der Fahrt aus dem Fenster geschaut hatte, war der Ausblick in das Tal für mich atemberaubend: Kilometerweit nur Felsen und Sand. Als ich mich von dem Anblick losreißen konnte, habe ich mich zu dem einheimischen Fremdenführer umgedreht. Er starrte ebenfalls in das Tal. Aber in seinen Augen lag eine tiefe Sorge, die ihn für mehrere Sekunden komplett lähmte. In der Einöde ist nicht sicher, ob die Grundbedürfnisse auch am nächsten Tag gestillt werden können.

Die nackte Panik

Hat sich Abraham ähnlich gefühlt, als er sich in seinem neuen Wohnraum umschaute? Abraham,  ein mutiger Glaubender, verlässt mit seiner Frau, deren Neffen Lot und der Gefolgschaft seinen Heimatort, um in einem fruchtbaren Land Fuß zu fassen – auf ein Versprechen hin, das ein unbekannter Gott ihm gibt. Auf der Wanderung, die in 1. Mose 13 beschrieben wird, kommt es zu Streit: Abraham und Lot führen so viele Tiere mit sich, dass das Weideland nicht ausreicht. Die Hirten der beiden kriegen sich täglich in die Wolle. Diese Konflikte veranlassen Abraham dazu, Lot einen Vorschlag zu machen. Besser wäre es, wenn sie sich trennen.

Er überlässt Lot, wohin er ziehen möchte: In das bewässerte Jordantal oder die Wüste Negev. Lot sucht sich das schmackhaftere Stück vom Kuchen aus: Das Tal am Fluss. Der alte Abraham bleibt zunächst in der Wüste. Alles um ihn herum ist staubtrocken und öde. Jeden Tag dieselbe Sorge: Reicht uns das, was wir haben, zum Überleben? Die Erfüllung von Gottes Versprechen scheint weit entfernt.

Wer holt mich hier raus?

Ich bin mir sicher, dass Abraham an seiner Entscheidung gezweifelt hat, sich auf dieses Wagnis eingelassen zu haben. Wie naiv kann man sein, den Worten eines unsichtbaren Wesens Vertrauen zu schenken? Wie kann man sogar sein ganzes Leben dafür aufgeben? Abraham weiß nicht, wie die Situation ausgehen wird. Dennoch baut er dem Gott, der ihn losgeschickt hat, einen Altar – ein Symbol der Hingabe.

Die Wüste ist ein Ort, der Menschen an ihre Grenzen bringt. Ein Ort, an dem man nicht weiß, ob man den morgigen Tag übersteht. So eine Erfahrung kann ich auch außerhalb der Wüste erleben. Immer dort, wo ich feststecke und kein Weg sichtbar ist. Vielleicht fühle ich mich nach einer nicht bestandenen Prüfung so; vielleicht, weil meine Familie in einer tiefen Krise steckt. Und ich verstehe es nicht: Ich habe mich doch mit Gott auf den Weg gemacht!

Ich habe großen Respekt vor Abraham. Er hat sich trotz Rückschlägen immer wieder an Gottes Zusage geklammert und ist weitergegangen. Dass seine Geschichte ein Happy End hat, macht mir Mut, es ihm gleich zu tun und dranzubleiben. Aus der größten Wüste kann Gott neue, ungeahnte Wege entstehen lassen. Und wenn eine Situation trotz scheinbarer Ausweglosigkeit ein gutes Ende findet, weiß ich, wer mich durchgeführt hat. 

Autor/-in: Christine Keller