08.05.2022 / Wort zum Tag

Mir fehlt der Durchblick

Die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen.

Jesaja 42,16

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In Radebeul bei Dresden befindet sich ein Blindengarten. Die Weg sind alle gut markiert, besonders für Blinde. Er führt durch den Garten. Das Besondere sind sehr unterschiedlich duftende Sträucher und Blumen. Teils sind Geländer angebracht, dann gibt es auch durch unterschiedliche Bodengestaltungen eine Hilfe zur Orientierung. An dem Geländer sind in Blindenschrift die Namen der Gewächse angebracht. Gut gesichert, fühlen sich die blinden Menschen wohl, die verschiedenen Gerüche wahrzunehmen. Auch für Sehende ist dieser Weg ein Erlebnis. Für einen Blinden ist es immer eine enorme Herausforderung, in einem unbekannten Gelände ohne Anhaltspunkte, sich zurecht zu finden. Es sei denn, es gibt einen Begleiter, der sie führt. Entweder am Arm angefasst oder durch Worte, geschieht eine Leitung. Manchmal begegnen mir auch Menschen mit einem Blindenstock oder einem Hund, der eine Orientierung gibt. Sehende Menschen können sich in einem auch für sie unbekannten Gelände, auf jeden Fall besser zurechtfinden.
Manchmal erlebe ich mich auch wie ein Blinder. Ich sehe zwar eine Situation, kann aber die Zusammenhänge nicht erfassen. Mir fehlt der Durchblick. Das irritiert. Dann gehe ich zu einem anderen Menschen und frage ihn, ob er mir helfen kann.
In dem Bibelwort aus dem Propheten Jesaja Kap. 42, Vers 16 hören wir folgendes: „Gott spricht: Die Blinden will ich auf dem Weg leiten, den sie nicht wissen; Ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen.“
Der Text macht am Beispiel einer Augenerblindung deutlich, wie wichtig die Leitung durch Gott selbst ist. Da wird diese Aussage zu einem Wort im übertragenen Sinn. Eindeutig wird Gott als der Blindenführer bezeichnet. Er will leiten, auch auf Wegen, die noch unbekannt sind.
In der Begleitung von blinden Menschen habe ich das Vertrauen als eine entscheidende Voraussetzung erlebt. Ohne Vertrauen geht gar nichts. So erlebe ich das auch in der Begegnung mit Gott. Ich kann mich ihm anvertrauen, auch als Sehender. Ich weiß nicht, was morgen sein wird, bzw. in der nächsten Minute. Ich kann immer nur aus dem Moment leben und aus der bisherigen Erfahrung, dass ich meinen Weg bis hierher gehen konnte. So ist der Bibeltext eine sehr klare Ermutigung, auch auf unbekannten Wegen mit Zuversicht weiterzugehen. Auch wenn ich nicht weiß, wohin der Weg geht, kann ich der Zusage Gottes vertrauen. Zweimal wird auf den neuen Weg hingewiesen. Damit wird die Dringlichkeit angesprochen, dass Gott neue Wege gehen kann und wird. Je nach Veranlagung erleben wir neue Wege als sehr spannend oder auch als eine Gefahr. Für manche sind sie ein neues Abenteuer, andere sehen darin eine Verunsicherung.

Ich finde es ermutigend, dass Gott in jedem Fall den Überblick hat und leitet. Hier ist nichts weiter gefragt als mein Vertrauen. Bisher konnte ich da so viele gute Erfahrungen machen, dass ich es als eine Ermutigung höre. Veränderungen im Leben fordern uns immer wieder heraus. Ich habe glücklicherweise noch keine Situation erlebt, wo mein Leben keinen Ausweg hatte. Ich kenne jedoch Menschen, die schwierige Lebensphasen hatten und nicht wussten, dass es einen Ausweg gibt. Es ist für sie eine besondere Herausforderung, überhaupt eine Möglichkeit zu entdecken. Gut, wer sich in so einer Situation beraten lässt. Dieses Bibelwort des Propheten Jesaja zeigt auf, dass es Einen gibt, der uns zur Seite stehen will. Auch wenn es ganz neue Wege sind, ist er da. Ich höre darin auch die Zusage, es sind Wege der Hoffnung und des Friedens. Auch das habe ich bei blinden Menschen gelernt, sie orientieren sich erst einmal, bevor sie losgehen. Sie nehmen wahr, tasten vorsichtig, in welche Richtung der Weg geht. Auch ich möchte zuerst hören, wo Gott redet, wo es Impulse von ihm gibt, den Weg weiterzugehen.    

Autor/-in: Pfarrer Uwe Winkler