27.05.2011 / Wort zum Tag

Micha 7,8

Wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht.

Micha 7,8

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Die vorausgegangenen Verse machen deutlich, was Micha mit dem “im Finstern sitzen” meint. Die gesellschaftlichen Zustände in seinem Volk bedrängen ihn:
- Da sind die korrupten Politiker und Richter.
- Da ist die völlig zusammengeschrumpfte Zahl der Frommen, die im öffentlichen Leben gar nicht mehr vorkommen.
- Da sind die zerrütteten familiären Verhältnisse. Wörtlich: “Der Sohn verachtet den Vater, die Tochter widersetzt sich der Mutter; und des Menschen Feinde sind seine eigenen Hausgenossen”.

Doch Micha jammert nicht und bemitleidet sich nicht selbst, dass er in einer so verrückten Zeit leben muss. Er stellt nur nüchtern fest: So ist es. Um dann zu sagen: “Ich aber will auf den Herrn schauen und harren auf den Gott meines Heils!” Ja, auch in solch verrückten Zeiten hat Micha eine Perspektive für sein Leben. Diese Perspektive ist nicht abhängig von den Mehrheitsmeinungen in seinem Volk, auch nicht von irgendwelchen menschlichen Heilsplänen, die er insgeheim schmiedet. Diese Perspektive ist der lebendige Gott selbst, der Gott, der für seine Leute das Heil vorgesehen und zugesagt hat. Daran kann man sich halten.

Zu allen gesellschaftlichen Missständen kommen bei Micha offenbar auch noch persönliche Anfeindungen, weil er inmitten dieser gottlos gewordenen Gesellschaft so eisern am Glauben festhält. Er wird ganz schlicht ausgelacht. Ausgelacht und angefeindet. Eben wegen seines altmodischen Glaubens. Was soll ein Mensch, der so isoliert ist, seinen Gegnern antworten? Soll er schweigen und sich in sich selbst verkriechen? Nein, Schweigen ist nicht die Art eines Frommen. Bekennen ist die Art der Frommen. Wie sagt doch Jesus? “Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.”

Also antwortet Micha laut und deutlich seinen Gegnern: “Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht.” Mit anderen Worten: Zugegeben, meine Feinde, dass es zurzeit sehr einsam um mich und den Glauben geworden ist. Zugegeben, dass es - menschlich gesprochen - um mich sehr finster aussieht. Zugegeben, dass auch ich selbst keine Idee habe, wie ich das ändern kann. Alles zugegeben - dennoch sehe ich das Licht hell und klar vor mir, über mir, bei mir: Es ist der lebendige Gott, der Herr über Leben und Tod. Das ist es, was mir Kraft und Mut gibt in der gegenwärtigen Finsternis. Ich bin überzeugt: am Ende wird der lebendige Gott alles an sein heilsames Licht bringen.

Am Ende! Ich erinnere mich an meinen Lateinlehrer. Im Lateinischen kommt es bei der Übersetzung sehr auf den letzten Buchstaben eines Wortes an, sowohl bei den Verben als auch bei den Substantiven. So bläute er uns ein “Respice finem - Achten Sie auf das Ende!“ Erst dann bekommt man Klarheit in den Text. Daran muss ich bis heute denken: Man muss seine gegenwärtige Situation vom Ende her betrachten. Erst dann bekommt man Klarheit in sein Leben. “So ist doch der Herr mein Licht!” Am Ende wird alles im Licht des lebendigen Gottes stehen. Das bringt auch in meine Gegenwart die neue mutmachende Perspektive.

Wir in Deutschland sind glücklicherweise nicht so angefeindet wie Micha. Aber ich denke in meinen Gebeten immer wieder an Christen in der weiten Welt, die um Jesu willen heute leiden müssen. Und ich staune beim Lesen der Berichte aus der Weltmission, wie bei diesen Christen das Wort des Micha in gleicher Weise Wirklichkeit ist: “Wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht.”

Autor/-in: Pfarrer i. R. Jürgen Blunck