28.11.2009 / Wort zum Tag

Micha 7,14

Weide dein Volk mit deinem Stabe.

Micha 7,14

Christus spricht: Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

Johannes 10,16

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Ein älterer Mann lag im Sterben. Wiederholt schickte er seine Angehörigen aus dem Zimmer mit den Worten: "Ich komme zurecht." Immer lag er auf der rechten Seite. Wenn man ihm anbot, ihn einmal auf die andere Seite zu legen, wehrte er ab. "Dann kann ich ihn ja nicht mehr sehen." Und er meinte damit Jesus, den guten Hirten, auf dem Bild, das er als junger Mann geschenkt bekommen hatte.

Diese Geschichte spricht von der wunderbaren Kraft der beiden Bibelworte für diesen Tag. Der gute Hirte will uns Weggeleit geben an jedem Tag unseres Lebens: "Weide dein Volk mit deinem Stabe" (Micha 7,14). Und, Jesus Christus spricht: "Ich bin der gute Hirte" (Joh 10,11). Lassen uns diese beiden Worte heute auch so zuversichtlich bleiben, wie das Bild vom guten Hirten den sterbenden Mann? Das Bild vom guten Hirten und den geduldigen Schafen ist vielen doch heute nicht mehr so selbstverständlich. Wir wollen doch als Schafe hinter dem Hirten meist nicht einfach hinterhertrotten, sondern wir wollen in der Regel freie Men¬schen sein, unser Leben selbst in die Hand nehmen. Aber je mehr ich nachdenke, erkenne ich: Wirk¬liche Frei¬heit habe ich nicht, wenn ich mache, was ich will. Meine Person mit ihren Stärken und Schwä¬chen spielt mir da immer Streiche. Wirkliche Freiheit habe ich nicht, wenn ich es so mache, wie die anderen, noch nicht einmal, wenn ich es so mache, wie ich will.

Leider zeigt unsere Menschheitsgeschichte immer wieder, dass Menschen und ganze Völker schlechten Hirten zujubeln und begeistert hinter ihnen herlaufen. Wirkliche Freiheit ist bei dem guten Hirten, weil er kein Diktator ist, weil er nicht selbstsüchtig ist. Er will mich nicht für sich springen und kämpfen lassen, und er unterzieht mich keiner Gehirnwäsche, sondern er hat für mich gekämpft und sein Leben für mich dahingegeben und hat mich dadurch von den Wölfen dieser Welt, die mich immer wieder in ihren Bann ziehen wollen, befreit. Wenn er als der gute Hirte sein Leben für uns gibt, dann kennt er uns auch. Vor ihm sind wir keine unbekannten Niemande.

Neulich sagte mir jemand, der seinem Kind eine Niere gespendet hatte, damit es ohne Apparate weiterleben konnte: "Es ist doch mein Kind, mein Fleisch und Blut, da kann man doch nicht anders." Jesus Christus gibt für uns sein Fleisch und Blut am Kreuz, weil er aus Liebe zu uns nicht anders kann. Er gibt sein Fleisch und Blut für uns her, weil er uns so unendlich liebt. Jesus geht uns als der gute Hirte auch nach, wenn wir uns verrannt, verstiegen haben und verloren zu gehen drohen. Es geht nicht um ein blindes Hinterhertrotten, sondern um eine klare Entscheidung, wem ich folgen will in meinem Leben. Gott schenke es uns, dass wir – wie Micha damals – unsere Hoffnung nicht auf uns selber und nicht auf Menschen, sondern auf Gott setzen. Für uns Christen hat diese Hoffnung einen Namen: Jesus Christus. Er mache uns immer wieder fähig, dass wir in allen Höhen und Tiefen unseres Lebens unser Vertrauen immer wieder auf ihn setzen und dann mit eigenen Worten – vielleicht stammelnd – sagen: "Weide mich mit deinem Stabe, bewahre mich vor der Versuchung, selber mit der Anfechtung und dem Fürst dieser Welt, dem Bösen, fertig zu werden. Ich bitte dich, gib du mir Wegge¬leit, behüte und bewahre mich nach deiner Verheißung bis zum Ziel, lass mich immer wieder neu erfahren, dass nichts und niemand mich aus deiner Hand reißen kann."
 

Autor/-in: Superintendent i. R. Rainer Kunick