04.03.2022 / Wochenrückblick

Maulkorbgesetz versus Hilfsbereitschaft

Der Freitagstalk des ERF Aktuell-Teams.

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Putins Krieg gegen die Ukraine und die dort lebenden Menschen steht heute ganz im Mittelpunkt des Freitagstalks der ERF Aktuell-Redaktion mit Katja Völkl und Andreas Odrich. Darin geht es um einen regelrechten „Exodus“, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Ströme der Flüchtenden aus der Ukraine nennt, es geht um ein Gesetz, das in Russland die Verwendung der Worte Krieg und Angriff im Zusammenhang mit der Ukraine in den Medien unter Strafe stellt.

Es geht aber auch um die große Welle er Hilfsbereitschaft gegenüber den Ukrainerinnen und Ukrainern, die zeigt, dass die christliche Nächstenliebe Konjunktur hat und die Zivilgesellschaft in der Lage ist, grenzübergreifend zusammenzuhalten.


ERF: Zunächst einmal sollten wir kurz auf die Begriffe eingehen, die wir verwenden, wenn wir über den Krieg in der Ukraine sprechen.

Andreas Odrich: Es ist Putins Krieg gegen die Ukraine und nicht ein Krieg „der Russen“ gegen ihr Bruderland. Das musss gesagt werden, wenn sich die Emotionen angesichts der erschütternden Bilder, die uns erreichen, hochschaukeln. Auch bei uns leben Menschen mit ukrainischen und russischen Wurzeln. Manche sind sogar verwandt oder verheiratet. Hier darf es jetzt nicht zu falschen Anfeindungen gegenüber Menschen mit russischer Herkunft kommen, auch wenn unser Mitgefühl ganz den Menschen in der Ukraine gewidmet ist.

Putin führt als Diktator auch einen Krieg gegen die Menschen in Russland, die in vielen Städten gegen seinen Krieg demonstrieren, und er verheizt seine eigenen meist jungen Soldaten, das müssen wir uns letztlich immer wieder vergegenwärtigen.

Größte Fluchtbewegung seit zweitem Weltkrieg

ERF: Kommen wir zu den verheerenden Auswirkungen von Putins Krieg in der Ukraine und die große Fluchtbewegung, die das russische Militär bei seinem Kriegseinsatz unter den Menschen in der Ukraine ausgelöst hat.

Andreas Odrich: Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping von der Linken spricht von der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Dazu legt sie eine Zahl vor: allein am Donnerstag sind von den Berliner Behörden 6.500 Kinder und Frauen registriert worden, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind.

Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte Kipping außerdem: die EU-Staaten hätten sich darauf verständigt, Kriegsflüchtlinge schnell und unkompliziert aufzunehmen. Das heißt, dass die Geflüchteten zunächst für ein Jahr Schutz erhalten und auch eine Verlängerung auf drei Jahre möglich ist.


ERF: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, spricht bereits von einem Exodus.

Andreas Odrich: Laut UNHCR sind es bereits eine Million Menschen, die innerhalb von sieben Tagen nach Kriegsausbruch die Ukraine verlassen haben und das UNHCR rechnet mit rund 4 Millionen Menschen, die insgesamt flüchten. Und es legt noch eine andere Zahl vor, die in den aktuellen Meldungen jetzt untergeht.

Auf der Homepage des UNHCR heißt es: „Schon vor dem jetzigen Militäreinsatz waren fast 3 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe in der Ukraine angewiesen – darunter über 850.000 Binnenvertriebene“, also Kriegsflüchtlinge, die innerhalb des Landes unterwegs sind. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Besetzung der Krim schon 2014 stattgefunden hat. Der Unterschied: erst jetzt sind die Auswirkungen auch für uns mit Händen zu greifen, deshalb ist unsere Aufmerksamkeit nunmehr sprunghaft gestiegen.

Zensur mit Freiheitsstrafen

ERF: Während die Weltöffentlichkeit von Kriegsverbrechen spricht, darf das Wort Krieg in Russland selbst nicht verwendet werden, es steht sogar unter Strafe.

Andreas Odrich: Dazu hat das russische Parlament jetzt ein Gesetz verabschiedet, dass es den Medien ausdrücklich verbietet, Worte zu verwenden wie Krieg, Angriff, Invasion, Kriegserklärung. Dort wo die Begriffe in Berichten bereits vorgekommen sind, müssen sie gelöscht werden. Ebenso alle Hinweise, die sich auf getötete Zivilisten in der Ukraine beziehen. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Geldstrafen und bis zu 15 Jahren Haft.

Wir haben es hier also auch mit einem Propagandakrieg zu tun, der die russische Bevölkerung abschneiden soll von der Berichterstattung über den Krieg, den der russische Diktator gegen die Menschen in der Ukraine führt. Dazu gehört auch, dass Russland die Internetseiten etwa von der BBC und der Deutschen Welle abgeschaltet hat.

Christliche Nächstenliebe hat Konjunktur

ERF: Kommen wir noch einmal zurück zur Situation bei uns. Offensichtlich ist die Hilfsbereitschaft groß, die Menschen zu unterstützen und zu versorgen. Welche Rolle spielen dabei denn die Kirchen und Diakonischen Einrichtungen.

Andreas Odrich: Man sieht, dass die sozialen Netzwerke voll sind mit Aufrufen und Aktionen. Ob das einzelne Gemeinden, ganze Freikirchen oder die örtlichen Stadtmissionen sind, aber auch jedwede Vereine außerhalb der Kirchen, die helfen, oder letztlich auch ganz viele Einzelpersonen. Die Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen ist groß, überall werden Hilfspakete gepackt. Die Zivilgesellschaft hält zusammen, grenzübergreifend und weltweit.

Christliche Nächstenliebe hat Konjunktur. Und das ist in all den Herausforderungen und schrecklichen Bildern von Bomben und Geflüchteten die gute Nachricht. Auch wir haben darüber berichtet und werden es weiterhin tun. Alle Informationen dazu findet man ganz einfach auf unseren Internetseiten unter erf.de/ukraine.
 

ERF: Und dort gibt es auch einen Link, wenn Sie Projekte unseres Partners twr unterstützen wollen. Gemeinsam werden wir auch an diesem Wochenende gefragt sein, allen Menschen freundlich zu begegnen, zu helfen, wo es geht, und im Gebet Gott darum zu bitten, dass der Krieg in der Ukraine und nicht nur dort so schnell wie möglich abgewendet wird. Das wünschen sich und Ihnen Andreas Odrich und Katja Völkl von der ERF Aktuell-Redaktion.
 

Autor/-in: Andreas Odrich

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