29.05.2011 / Wort zum Tag

Matthäus 20,25-26

Christus spricht: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.

Matthäus 20,25-26

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Die Chassidim, eine Frömmigkeitsbewegung im Judentum, erzählen die Geschichte von einem Rabbi und seiner Gemeinde. Die Menschen in der Gemeinde waren überzeugt, dass ihr Rabbi manchmal in den Himmel aufstieg. Zu dieser Sicht kamen sie, weil es Tage gab, an denen der Rabbi weder im Bethaus noch zu Hause noch auf der Straße zu sehen war. Er musste folglich, so dachten die Leute, im Himmel sein. Der weitere Fortgang der Geschichte zeigt, wo der Rabbi war. Er war bei einer armen, alten Frau und half ihr. Er versorgte sie mit Brennholz und sprach ihr die Psalmen vor. Die Geschichte sagt: Der Rabbi war im Himmel, denn er diente anderen Menschen.

Jesus mutet seinen Jüngern zu, dass sie dienen. Ich empfinde das als eine Riesenprovokation und so kam es schon vor 2.000 Jahren bei den Menschen an. Denn so stark sich die Gesellschaften verändert haben, so ist doch gleich geblieben, dass Menschen lieber herrschen, statt dienen wollen. Das zwischenmenschliche Verhalten wird deshalb von Fragen bestimmt wie: „Was habe ich von dem anderen? Was nutzt er mir?“
Jesus verändert an dieser Stelle die Sichtweise grundlegend. Er stellt sie regelrecht auf den Kopf. Die Frage ist nicht mehr: „Was habe ich vom anderen?“ Sie lautet jetzt: „Wie kann ich für den anderen da sein?“ Jesus erwartet von seinen Nachfolgern, dass sie „für“ sind. Sie sollen für die anderen Menschen sein. Sie sollen so leben, dass dieses „Für“ sichtbar wird.

Ich möchte mit Ihnen gerne eine kleine Übung machen. Sprechen Sie doch bitte jetzt direkt einmal den Satz aus: „Ich diene Gott!“ Ich nehme an, dass dieser Satz Ihnen relativ leicht über die Lippen ging. Jetzt bitte ich Sie, einmal einen Satz zu sprechen: „Ich diene Menschen!“ Wenn Sie wollen, können Sie diesen Satz noch mit einem konkreten Namen versehen. Danke, wenn Sie die kleine Übung mitgemacht haben. Ist Ihnen ein Satz leichter gefallen? Ich vermute, dass vielen Christen der Satz: „Ich diene Gott“ leichter fällt. Aber an dieser Stelle unterliegen Christen einem Irrtum. Christen können nämlich Gott nicht dienen, wenn sie den Menschen nicht dienen. Der Herr begegnet den Menschen ganz häufig durch andere Menschen. Wer Menschen dient, dient dem Herrn!
 
Ich denke an einen Beamten, der pensioniert wurde. Er war ein schlauer Fuchs, was den Beamtenapparat betraf. Als Pensionär stellte er sein Wissen Migranten zur Verfügung und half damit vielen Menschen ein neues Zuhause zu finden. Ich denke z. B. an die Mütter, die ihre berufliche Karriere aufgegeben haben, um ganz für die Familie da zu sein, auch wenn es mit finanziellen Einschnitten verbunden ist. Jesus mutet es seinen Nachfolgern zu, dass sie für andere Menschen zu Dienern werden. Er selbst ist zum Diener für alle Welt geworden. Er ist den Dienstbotenweg gegangen. Darum können Menschen, die ihm nachgehen auch nur diesen Weg nehmen.

 

Autor/-in: Pastor Werner Hanschmann