30.12.2009 / Wort zum Tag

Matthäus 20,15

Habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?

Matthäus 20,15

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Artikel 14 unseres Grundgesetzes enthält die Garantie von Eigentum. Gut so. Als Kind habe ich Zwangsenteignung miterlebt. Grässlich. Im Absatz 2 des genannten Artikels ist aber auch verankert, dass Eigentum zum Dienst am Allgemeinwohl verpflichtet. Auch schon ein biblischer Grundgedanke. Im Zusammenhang mit dem Lehrtext sieht anscheinend jemand dieses Prinzip verletzt. Darum wird hier im Rahmen eines Gleichnisses der Weinbergbesitzer zu einer Stellungnahme herausgefordert.

Zum bildhaften Hintergrund: Es ist Erntezeit. Saisonarbeiter werden benötigt. Schon vor Sonnenaufgang sucht der Gutsbesitzer arbeitswillige Leute. Sie können sofort beginnen. Bleiben sie von 6 bis 18 Uhr, dann erhalten sie einen Denar. Den für das Leben einer Familie notwendigen Tageslohn. Zwischen 8 und 9 Uhr macht der Unternehmer sich wieder auf. Ohne zusätzliche Hilfskräfte ist die Arbeitsmenge nicht zu bewältigen. Wieder findet er Arbeiter. So wiederholt es sich um 12 Uhr. Um 15 Uhr. Sogar um 17 Uhr bringt der Dienstherr noch Leute an. Die größte Hitze ist vorüber. Nur noch ein paar Stiegen. Feierabend.
Lohnauszahlung. Überraschung! Die letzten bekommen als erste den Lohn! Alle sehen es. Ein voller Tageslohn bei nur 8 % Arbeitsleistung. Keiner meckert. Alle staunen. Jeder rechnet: „Wie hoch muss demzufolge mein Anteil sein? Ja, richtig! Bei 100-prozentigem Einsatz schuldet der Unternehmer zwölf Denare. Ansonsten macht er sich schuldig.“

Denkste. Auch die Ersten erhalten 100 % Lohn. Wie alle anderen. Die Aktivisten der ersten Stunde sind schockiert: „Was erlaubt sich der Chef?“ Aus der Schar der Ankläger knüpft sich nun der Gutsherr einen Rebellen vor. "Mein Freund", sagt er, "warum so aufgeregt? Kann ich in meinem Eigentum nicht tun, was mir gefällt? Willst du mich in meinem Verfügungsrecht einschränken?“

So ähnlich ist auch die Einstellung mancher Menschen gegenüber Gott. Sich selbst überschätzend. Gott begrenzend. Das Gleichnis aber zeigt die Allmacht Gottes auf. Seine Souveränität. Er ist nicht in unsere Vorstellung einzuengen. Nicht zu beschränken. Er ist absolut frei. Unabhängig. Im Römerbrief fragt der Apostel Paulus z. B.: "Wer bist du Mensch, dass du mit Gott rechten willst ..?" Und in Jesaja 45 fragt der Prophet: „Kann etwa der Ton zu seinem Töpfer sagen: Was machst du da?" Ende des Zitates.

Der Lehrtext enthält aber auch eine zweite Aussage über Gott. „Siehst du so scheel drein, weil ich so gütig bin?“ Zitat Ende. Kurios: Die Leute in der Gleichniserzählung meckern, weil ihr Herr so großzügig ist. Jedenfalls zu andern. Dabei sind sie blind für das eigene Privileg. Als der souveräne Herr kann Gott nicht gezwungen werden, Menschen in seinem Weinberg zu beschäftigen. Aber als der gute Gott will er es tun. Er will seine Menschen schon ganz früh an seinen Segnungen beteiligen. Sie sinnvoll beschäftigen. Am Anfang des Lebens. In der Kindheit. In der Blüte des Lebens. Dass Gott aber auch die spät Hinzugekommenen in gleicher Weise segnet, das stört die frommen Leistungsträger. Sie haben sich das Wohlwollen Gottes verdient. Haben sich schon immer in das Reich Gottes eingebracht. Dabei viel eingezahlt. Das muss sich doch auszahlen. Darum rechnen sie Gott ihre Verdienste vor. Pochen auf leistungsgerechten Lohn. Gnadenlohn verachten sie. Wer jedoch vor Gott auf eigene Leistung pocht, der kann nicht mit Gottes Güte rechnen. Ein solcher Mensch verrechnet sich. Wer aber nichts mehr von sich - alles von Jesus - erwartet, der hört auf zu murren. Er fängt an Gott zu loben. Wegen seiner Allmacht. Und wegen seiner Güte.

Autor/-in: Pastor i. R. Gottfried Zimmermann