24.03.2012 / Wort zum Tag

Markus 11,25

„Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“

Markus 11,25

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Im Wort zum heutigen Tag aus Markus 11,25 sagt Jesus: „Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“ Da wird ein grundlegender Zusammenhang des christlichen Glaubens angesprochen: Nur wer selbst bereit ist, anderen zu vergeben, kann auch Vergebung für sich selbst erlangen. Das war Jesus so wichtig, dass er im ‚Unser-Vater‘ die Bitte einfügte: ‚Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern‘.
Der Zusammenhang, in dem das Wort zum Tag im Markusevangelium steht, wirkt zunächst befremdlich. Da geht es nicht in erster Linie um Vergebung. Wir hören von einem Feigenbaum, den Jesus verflucht, weil er keine Früchte trägt. Am Abend desselben Tages sehen die Jünger, dass dieser Baum verdorrt ist. Sie machen Jesus darauf aufmerksam. Alles, worum jemand in vollem Vertrauen bittet, werde auch geschehen, lautet die Erklärung von Jesus. Es geht hier also um vollmächtiges Gebet und die Zusage, dass dieses Gebet von Gott erhört wird. Wörtlich sagt Jesus: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden.“ Und erst dann folgt der Hinweis, der im Wort zum heutigen Tag zitiert wird: Vergeben wird nur dem, der selbst auch zu vergeben bereit ist.
Es ist wichtig, diese Aussagen nicht aus ihrem Zusammenhang zu reißen. Sonst passiert, was mir auch schon begegnet ist: Menschen machen aus dieser Verheißung eine Garantie. Sie ziehen den folgenden Schluss: Wenn du nur richtig betest, wirst du die Erfüllung all deiner Wünsche erleben. Und wenn jemand klagt, sein Gebet sei nicht erfüllt worden, urteilen sie: „Du hast nicht richtig gebetet oder zu wenig geglaubt.“
Das ist ein gründliches Missverständnis. Beim Beten geht es nämlich nie nur um mich und meine Beziehung zu Gott. Auch das Verhältnis zu meinen Mitmenschen spielt beim Beten eine wichtige Rolle. – Mag ja sein, dass mich das manchmal stört. Wenn ein Mitmensch mich verletzt oder auch nur geärgert hat, würde ich ihn noch so gerne aus meiner Beziehung zu Gott heraushalten. Dann wünsche ich mir, dass Gott sich nur auf mich konzentriert und mich womöglich in meiner Verletztheit noch bestätigt. Doch so geht das eben nicht. Gott will mich trösten, und er will auch meine Verletzung heilen. Sein Wirken schließt aber auch meine Beziehung zu den Mitmenschen ein. Gerade da will er wohltuend und heilend wirksam werden. Darum kann ich meinen nächsten nicht aus meinen Gebeten herauszuhalten. Ich kann mich nur trösten lassen und um Vergebung bitten, wenn ich selbst vergebe. Meine Beziehung zu Gott schließt also meine Beziehung zu den Mitmenschen unbedingt mit ein.
Das macht das Gebet zu einer anspruchsvollen, aber auch äusserst lohnenden Angelegenheit. Das Gebet beschränkt sich nicht darauf, dass ich alle meine Wünsche und Sehnsüchte vor Gott bringe. Beim Beten werde ich erleben, dass seine Kraft über Bitten und Verstehen in meinem Leben wirksam wird. Ich werde erleben, dass meine tiefsten Sehnsüchte gestillt werden. Vielleicht – nein, sogar sicher – erhalte ich nicht alles, was ich mir wünsche. Dafür schenkt er mir etwas, wovon ich kaum ahnte, wie sehr ich es mir gewünscht habe: Versöhnung. Versöhnung führt zu einem Leben mit Gott und meinen Mitmenschen, das von gegenseitigem Vertrauen, von Liebe und Respekt erfüllt ist.

 

Autor/-in: Pfarrer Daniel Eschbach