02.04.2011 / Wort zum Tag

Markus 10,47.49

Der Blinde schrie: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her!

Markus 10,47.49

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Der morgige Sonntag  ist der vierte Sonntag in der Passionszeit. Wenige Tage vor der Passion passiert auch diese Geschichte: Jesus und ein großer Fan-Club haben gerade Jericho verlassen auf dem Weg nach Jerusalem. Viele wichtige Gespräche und hohe Erwartungen. Plötzlich hören sie irgendwelche Schreie aus der Ferne. Jesus bleibt stehen.

„Herr, geh doch weiter“ sagt Petrus. „Wenn wir wegen jedem Schreihals anhalten, kommen wir nie vorwärts.“ Jakobus sagt: „Herr, da brüllt einer deinen Namen durch die Gegend. Sollen wir ihn zum schweigen bringen?“ Matthäus sagt: „Wenn wir jetzt einen Zahn zulegen, dann müssen wir das Geschrei nicht mehr anhören.“ Jesus bleibt stehen. Unwillig und fragend stoppen die Jünger wohl oder übel auch. „Was ist denn jetzt wieder los?“, denken die meisten. Manchmal ist unser Rabbi anstrengend. „Ruft ihn her!“, sagt der. Wen? Den Schreihals?
„Den Blinden“, sagt Jesus. „Woher weißt du, dass er blind ist? Wir hören nur, dass er hier rumschreit.“ „Ruft ihn her“, sagt Jesus. „Ich geh nicht“, sagt Matthäus. „Geh du, Thomas.“ „Wegen so einem? Das ist ja peinlich. Geh du, Bartholomäus.“ „Ich mach' mich hier doch nicht zum Affen“, sagt Bartholomäus.

Jesus und der Blinde haben etwas gemeinsam. Eine Seelenverwandtschaft sozusagen. Beiden ist egal, was die andern denken. Beiden ist egal, was die anderen sagen. Beide wissen, was sie wollen - auch gegen den Widerstand der anderen. Beide sind ziemlich hartnäckig.  

Beide können bitten: Der Blinde bittet um Hilfe. Jesus bittet seine Freunde, ihn zu rufen. Zum Glück für den Blinden gehorchen sie schließlich ihrem Rabbi.

Kennen Sie eine Geschichte, in der Jesus gebeten wurde und er hat nicht geholfen? Nein? Ich auch nicht. Wo jemand um Hilfe schreit, der bleibt nicht ohne Antwort. Sie nicht und ich nicht. Das ist das erste, was ivh festhalte. Und das zweite: Jesus lässt sich unterbrechen. Ein Schreihals ist ihm wichtiger als die eigenen Pläne.

Während meiner Ausbildung hatte ich einen Freund, mit dem wollte ich eine Wohngemeinschaft starten. Wir hatten uns einen neuen Studienort in Bayern ausgesucht und suchten nach Zimmern. Plötzlich sagt er ab. Warum? Ja, er habe in Heidelberg einen Chinesen kennen gelernt. Mit dem sei er ins Gespräch über Jesus gekommen. Deshalb könne er jetzt nicht umziehen. Er müsse bleiben. Ich war verdattert. Nur wegen einem Chinesen, der nicht mal richtiges Deutsch kann, verzichtet er auf seine Studienpläne? Heute weiß ich: Das hat mein Freund von Jesus gelernt. Ein Mensch, der Hilfe braucht, ist für Jesus wichtiger als alles andere.
 

Autor/-in: Pfarrer Matthias Adt