13.06.2022 / Andacht

(M)ein Name macht den Unterschied

Warum Namen mehr als Schall und Rauch sind.

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Wenn Kinder Schreiben lernen, schreiben sie häufig als erstes ihren Namen. Namen geben Identität. Besonders eindrücklich wird dies für mich, wenn ich Bilder ehemaliger Häftlinge in den Konzentrationslagern sehe. Ihre Kleidung war mit Nummern gekennzeichnet, die ihre Namen ersetzten. Die Gefangenen wurden damit zu Namen-losen. Ihrer Würde als Menschen beraubt und ohne Rechte.

Dabei sind Namen mehr als eine Folge von Buchstaben. Für Gott haben sie eine wichtige Bedeutung. Er spricht Menschen direkt mit Namen an. Maria Magdalena ist eine dieser Personen. Doch der Reihe nach. Jesus ist auferstanden und Maria weint beim Anblick seines leeren Grabes. (Johannes 20, 11).

Sie hat erwartet, den toten Körper von Jesus dort vorzufinden und wollte ihn salben. Aber ihre Erwartungen werden bitter enttäuscht. Denn Jesus, ihr Herr, ist nicht mehr dort, wo Maria ihn vermutet. Verzweifelt, aber entschlossen sucht sie nach ihm. Dabei merkt sie gar nicht, dass er schon da ist.

Jesus ist da

Mir geht es manchmal ähnlich wie Maria: Dass ich gefangen bin in meiner Welt. Meine Probleme und trüben Gedanken vernebeln meinen Blick derart, dass ich nicht mehr wahrnehme, was um mich herum passiert. Zusagen von Jesus, die er mir durch sein Wort oder durch andere Menschen zuspricht, erreichen meine Seele nicht.

Vielleicht gibt es schon positive Veränderungen in einer schwierigen Situation, aber ich kann sie gar nicht als solche einordnen. Stattdessen bleibe ich in meiner Realität stecken, wusele weiter vor mich hin, als hinge es allein von mir ab, zu retten, was noch zu retten ist. Dabei ist Jesus schon längst da. Aber ich nehme ihn gar nicht wahr. Weil ich eine konkrete Vorstellung davon habe, wo er zu finden ist. 

Ganzheitlich wahrgenommen

Was tut Jesus? Er nimmt wahr, was um ihn herum geschieht. Er sieht die weinende Maria und stellt ihr dieselbe Frage wie vorher die beiden Engel. Wozu tut Jesus das? Kennt er, Gott selbst, denn nicht schon die Gründe? Auf jeden Fall geben die Fragen von Jesus Maria ein weiteres Mal die Möglichkeit, auszusprechen, was sie beschäftigt und traurig macht.

Die vergangenen Tage waren sehr emotional gewesen. Maria hatte miterlebt, wie man Jesus gequält und grausam hingerichtet hatte. Ihren Herrn, wie sie ihn liebevoll gegenüber den beiden Engeln nennt. Maria empfand eine tiefe Liebe und Ehrerbietung für Jesus. Er hatte sie von sieben Dämonen geheilt und ihr damit ein Leben ermöglicht, auf das sie vermutlich nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Und jetzt war er nicht nur tot, sondern seine Leiche war auch verschwunden.

Marias Seele muss hinter all diesen Ereignissen herkommen. Dafür braucht sie Zeit. Auch gemeinsame Zeit mit Jesus, um zu begreifen, dass es um mehr geht als um ihre Realität. Es berührt mich, dass Jesus sich diese Zeit für Maria nimmt und ihr so begegnet, als sei sie in diesem Moment der einzige Mensch auf der ganzen Welt. Er erwartet von ihr nicht, als Rädchen in seinem göttlichen Getriebe einfach weiter zu funktionieren. Damit er bis zu seiner Himmelfahrt noch alles erledigen kann, was ansteht.

Beim Namen gerufen

Nein, Jesus nimmt Maria ganzheitlich wahr, auch ihre Gefühlslage. Er wechselt den Ton und wird persönlicher. Statt der allgemeinen Anrede „Frau“ nennt er Maria jetzt bei ihrem Vornamen. Darin liegt für mich so viel Wertschätzung! Für Maria verändert sich dadurch alles. Es macht klick bei ihr. Was löst dieses Erkennen in ihr aus?

Während sie Jesus vorher schon gesehen hat, wendet sie sich ihm jetzt bewusst zu. Ich stelle es mir so vor, dass Maria Blickkontakt mit ihm aufnimmt. Damit verändert sich auch ihre Blick-Richtung. Weg vom Problem hin zu Jesus. Von einer Sekunde zur nächsten kommt Hoffnung in ihr Leben.

Oft bringt ein ermutigendes Wort oder ein freundlicher Blick Licht in das Dunkel eines Menschen. Wo wir einander so begegnen, hat das immer eine heilsame Wirkung. Wieviel mehr, wenn wir Jesus begegnen. Eine Begegnung mit ihm stellt mich aber auch immer vor die Wahl: Gehe ich anschließend zur Tagesordnung über? Oder lasse ich mich auf ihn ein? Maria akzeptiert, dass sie Jesus, ihren Herrn und Meister, nicht festhalten kann. Dadurch wird sie frei, das weiterzusagen, womit Jesus sie beauftragt hat.

Wie gerne würde auch ich manchmal liebe Menschen, angenehme Situationen oder vertraute Überzeugungen festhalten. Dazu gehören auch meine Zweifel an mir selbst und daran, ob ich einem Auftrag gewachsen bin, den Jesus mir gibt. Aber er mutet mir immer wieder zu, Vertrautes loszulassen. Nur so werde oder bleibe ich frei für das, was er von mir getan oder gelassen haben will.

Herausgefordert

Manchmal erfordert es eine dicke Portion Mut. Wie bei Maria. Vielleicht hat sie sich insgeheim gefragt, ob Jesus auch weiß, was er tut. Nach seiner Auferstehung als erstes einer Frau zu begegnen! Doch damit noch nicht genug. Er achtet sie wert, es auch weiterzusagen. Damit sprengt Jesus sämtliche Konventionen seiner Zeit und auch die bisherige Realität von Maria.

Wie werden die Jünger und andere Menschen auf das reagieren, was sie zu sagen hat? Was werden sie von ihr denken? Dass die Dämonen wieder zurück sind und sie jetzt völlig übergeschnappt ist? Verstehen könnte ich es. Dass ein Toter aufersteht und wieder lebend durch die Gegend läuft, ist immerhin eine steile Behauptung. Dazu von einer Frau. Unglaubwürdiger geht es nicht. Menschlich betrachtet.

Woher nahm Maria den Mut, trotzdem loszugehen? Sie hatte den Herrn gesehen! Ihren Herrn. Darin liegt der Schlüssel für jede tiefgreifende Veränderung. Denn in dem Namen von Jesus ist Heil! Und nur in diesem Namen! (Apostelgeschichte 4,12).

Autor/-in: Franziska Decker

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