20.02.2013 / Wort zum Tag

Lukas 5,20

"Und als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben."

Lukas 5,20

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Kranke Menschen wollen vor allem eins: gesund werden. Wieder voll dabei sein. Wieder ein ganz normales Leben führen. Leiden an Körper oder Seele los werden. Wir können uns heute in Deutschland kaum vorstellen, wie schrecklich es war, in Israel vor 2000 Jahren krank zu sein. Sich selbst versorgen zu müssen, auch wenn man es nicht mehr konnte. Gelähmte lagen am Straßenrand und Blinde bettelten sich ihren Lebensunterhalt zusammen. Ich weiß, in den ärmsten Ländern der Welt geht es auch heute noch so zu. Doch, wie viel wissen wir im goldenen Westen davon?

 Meine Freundin reiste einmal nach Indien. Ihr Mann hatte dort geschäftlich zu tun. Sie vertrieb sich die meiste Zeit in einem schicken Hotel am Pool. Gut bewacht und hoch umzäunt. Als sie mitten in der Nacht angekommen waren, hatte sie von der Stadt so gut wie nichts sehen können. Auch jetzt, hinter dem großen Zaun, bekam sie praktisch vom Leben da draußen nichts mit. Essen im Überfluss und vom feinsten. Galaabende in der Gesellschaft wohlhabender Geschäftsleute. Meine Freundin dachte zunächst, dass es doch gar nicht so schlimm sei, in Indien. Sie hatte sich vor der Reise selbstverständlich über das Land informiert und unter anderem erfahren, dass die Schwestern um Mutter Theresa in Kalkutta Menschen vom Müll wegholten. Denn Sterbenskranke und Alte warf man einfach weg. Doch davon bekam meine Freundin zunächst nichts zu sehen. Nur die schöne heile Welt hinter der Mauer. Nun waren sie und ihr Mann Christen, die die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen wollten. Also besuchten sie Mutter Theresa. Dieser beeindruckenden Begegnung mit ihr und ihren Ordensschwestern ging eine Fahrt durch Kalkutta voraus. Meine Freundin traute kaum ihren Augen: Es lagen tatsächlich Menschen wie weggeworfen auf Bergen von Müll. Irgendwie hatte sie wohl gehofft, es sei nicht so schlimm wie in manchem Reiseführer angedeutet. Das war vor etwa 20 Jahren. Mag sein, dass sich das Leben in Indien gebessert hat. Aber damals wurde meine Freundin bis ins Mark erschüttert. Wieder zurück in Deutschland versicherte sie mir, sie wolle nie wieder nach Indien reisen. Der Gegensatz von Arm und Reich sei so unverschämt gemein. Sie wolle das nicht noch einmal erleben.

Kranke und alte Menschen gehören nicht weggeworfen. Ausgeschlossen und abgesondert vom normalen Leben. Wie meine Freundin in Indien war Jesus zu seiner Zeit in Israel erschüttert über die vielen Kranken und Bedürftigen. Sie taten ihm leid, und er heilte sie, wann immer er konnte. Doch manchmal brachte er Kranke und die vielen Zaungäste seiner Wunderheilungen ins Grübeln.

Eines Tages wollten einige Männer ihren gelähmten Freund von Jesus heilen lassen. Das Gedränge um ihn herum aber war so groß, dass sie aufs Dach klettern mussten, ein Loch hineinschlugen und den Gelähmten auf seiner Bahre zu Jesus herabließen. Nichts anderes als Heilung hatten die Männer für ihren kranken Freund erwartet. Und was macht Jesus? Er sieht den Leidgeprüften an und sagt als Erstes: „Deine Sünden sind dir vergeben!“ Die Gelehrten in der Menge empörten sich. Wer er, Jesus, denn sei, dass er Sünden vergeben könne? Und die Männer, die sogar ein Dach abgedeckt hatten, um zu helfen? Was haben die wohl in diesem Moment gedacht? Kann ein so kranker Mensch denn überhaupt sündigen?

Na klar! Man hört doch nicht auf, ein soziales Wesen zu sein, nur weil man ein Leiden hat. Auch Kranke können andere verletzen und sich völlig daneben benehmen. Jesus weiß das! Gott weiß es und der Kranke wusste das auch. Interessant an dieser Heilungsgeschichte ist, dass der Gelähmte alles ohne ein Wort über sich ergehen lässt. Und es ist typisch Jesus, sich mit einer Frage an seine Kritiker zu wenden. „Ist es leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben! Oder: Steh auf, du bist geheilt!“? Und ich frage mich: Was gelingt dir eher? Anderen zu verzeihen oder dich um Bedürftige zu kümmern?

Autor/-in: Mag. Theol. Rositta Krämer