04.11.2013 / Wort zum Tag

Lukas 15,21-22

Der Sohn sprach: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an.

Lukas 15,21-22

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Es gibt etwas, das jeder Mensch zum Leben braucht. Zum Beispiel eine bestimmte Menge an Geld, um nicht zu verhungern und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. „Existenzminimum“ heißt das in der Sozialpolitik.. Wussten Sie, dass es noch etwas anderes gibt, das wir alle zum Leben brauchen? Etwas, das nur Gott geben kann?

Jesus hat seinen Freunden einmal davon erzählt – und heute ist diese „Geschichte vom verlorenen Sohn“ eine der bekanntesten Geschichten der Welt. Sie beginnt mit einem jungen Mann, der aus seinem Vaterhaus ausbricht. Unterwegs verliert er all das Gute, das er von seinem Vater für sein Leben mitbekommen hat. Und am Ende einer langen Abwärtsspirale verliert er schließlich… sich selbst. Hunderttausendfach hat sich diese Geschichte seitdem wiederholt - überall auf dieser Welt. Unsere Welt ist voll von Söhnen (und Töchtern), die sich selbst verloren haben.

Eines Tages beschließt der Sohn, nach Hause zurück zu kehren. Bei aller Verlorenheit will er wenigstens dort sein, wo man ihn früher gekannt und geschätzt und geliebt hat. Er hofft nicht darauf, dass alles wieder in Ordnung käme –diese Hoffnung hat er längst verloren. Er hofft nur darauf, dass von seinem alten Zuhause wenigstens noch ein Dach über dem Kopf übrig ist. Er hofft auf das Existenzminimum an Gnade – auf gerade so viel Hilfe, dass er nicht verhungert.

Dann kommt der Moment, den er gleichermaßen herbeigesehnt wie gefürchtet hat. Der verlorene Sohn wird von seinem Vater gefunden:

 „Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße“

Genau in diesem Moment erlebt der Sohn die Gnade des Vaters. Diese Gnade ist keine widerwillige Duldung, keine seufzende Herablassung, kein zähneknirschendes In-Kauf-nehmen. Nein, diese Gnade zeigt sich in der Verschwendung: Das beste Gewand. Den Ring als Zeichen für die Zugehörigkeit zur Familie. Die Schuhe an seine Füße. Später lässt der Vater das eine Kalb schlachten, das für den feierlichsten Anlass des Jahres gemästet wurde. Und er lädt das halbe Dorf ein, mitzufeiern.

Jesus sagt: So wie dieser Vater, so ist Gott. So wie die Gnade dieses Vaters ist Gottes Gnade. Sie ist nicht das Existenzminimum, sondern das Existenzmaximum. Gottes Gnade  ist keine mildtätige Versorgung mit dem Allernötigsten – sie ist das Beste, was uns passieren kann. Gottes Gnade ist eine Einladung an uns alle, uns von ihm beschenken zu lassen und dauerhaft von seinen Ressourcen zu leben. Gottes Gnade begegnet Menschen nicht nur einmal, in einem Akt widerwilliger, überheblicher oder knauseriger Mildtätigkeit. Nein, Gott lädt uns ein, an seinem verschwenderischen Reichtum für immer teilzuhaben.

Nachdem der verlorene Sohn von zu Hause ausgebrochen ist, hat er alles verschwendet, was er mit auf seinen Weg bekommen hat. Aber jetzt, nach seiner Rückkehr, ist es sein Vater, der sich verschwendet. Der Vater fragt nicht nach Reue, Einsicht oder Schuldbewusstsein. Er stellt keine Sozialprognose. Er erteilt dem Sohn keine Bewährungsauflagen. Nein, der Vater verschwendet alles, was er hat, an seinen Sohn. Egal, mit wie viel Gnade die Verlorenheit des Sohnes aufgewogen werden muss – der Vater gibt sie gerne, aus vollem Herzen.

So ist Gott. Wussten Sie, dass Gott verschwenderisch ist? Ja, Gott verschwendet alles, was er hat – an jeden von uns. Wenn wir das nur wollen.

Das … ist Gnade. Es ist das, was wir wahrhaft zum Leben brauchen.

Autor/-in: Dr. Jörg Dechert