27.05.2020 / Wort zum Tag

Lebenssymphonie

Paulus schreibt: Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.

Philipper 1,6

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„Die Unvollendete“ – so nennt man eine Symphonie von Franz Schubert. Sie gibt den Musikfachleuten bis heute Rätsel auf. Niemand weiß, warum der große Meister der Komposition sein Werk nach zwei Sätzen abgebrochen hat. Denn allgemein üblich waren vier Sätze und nicht zwei. Vom dritten Satz existiert nur ein kleines Fragment, mehr nicht.

Bis in die jüngere Zeit hinein ließ Schuberts „Unvollendete“ den wahren Musikliebhabern keine Ruhe. Immer wieder versuchten sich Komponisten aus aller Welt daran, die „Unvollendete“ zu vollenden. Aber wirklich anerkannt ist wohl keine dieser Kompositionen.

Ein Gegenbeispiel für Schuberts „Unvollendete“ ist die neunte Symphonie von Beethoven. Sie ist am Ende so überwältigend, dass die Stimmen der Instrumente nicht mehr genügen, sondern einmünden in den großartigen Gesang „Freude schöner Götterfunken…“.

Ganz ähnlich wie eine klassische Symphonie verläuft auch unser Leben, meistens in drei oder vier Sätzen. Manche Lebensabschnitte verlaufen ruhig und friedvoll, sind also eher mit „adagio“ überschrieben. In anderen Lebensphasen geht es ziemlich lebhaft zu. Das nennt man dann wohl „vivace“.

Doch wie verhält es sich mit dem „Finale“ unseres Lebens?

„Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“ Philipper 1,6

Das schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi. Er befindet sich im Gefängnis, als er diese Zeilen verfasst und hat keine Vorstellung, wie es mit ihm und seiner Gemeinde weitergehen wird. Vieles deutet darauf hin, dass sein Lebenswerk ein „unvollendetes“ bleiben würde.

Und dennoch findet er diese tröstlichen und zuversichtlichen Worte: „… der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“

Je mehr ich diese Worte auf mich wirken lassen, umso mehr spüre ich: Ich darf es akzeptieren, dass vieles in meinem Leben nur Bruchstück geblieben ist. Ich überlasse mein Leben mit all seinen Brüchen dem, der ohnehin für die Komposition des Gesamtwerkes verantwortlich ist. Ich vertraue darauf, dass Christus all das vollenden wird, was in meinem Leben bisher ziemlich unvollkommen gewesen ist und auch weiterhin unvollkommen sein wird.

In wenigen Tagen beginnt für mich der letzte Satz meiner Lebenssymphonie, wenn ich als Pastor in den Ruhestand gehe. Ich spüre schon: Die Kräfte sind nicht mehr dieselben wie in jungen Jahren. Aber was soll’s…  dann wird der letzte Satz eben mit „adagio“ überschrieben.

Und wenn andere empfinden, dass da noch ein weiterer Satz meiner „Unvollendeten“ geschrieben werden müsste, dann mögen sie sich fröhlich daran versuchen.

Mir selbst genügt es, dass Christus mein Leben vollenden wird, hier in dieser Erdenzeit, die mir noch bleibt, und dann einst in Ewigkeit.

Autor/-in: Lothar Podszus