19.03.2019 / Serviceartikel

Lasset uns beten – aber bitte nicht so!

Sechs Tipps, damit aus Gebetsgemeinschaften keine Leidensgemeinschaften werden.

Kennen Sie das Schweigen der Beter? Das tritt meist nach den Worten „Lasst uns beten“ ein, mit der in christlichen Kreisen Gebetsgemeinschaften eingeleitet werden. Danach ist es dann nämlich erst mal still. Und das eine ganze Weile lang. Nach einer gefühlten Ewigkeit erbarmen sich dann zwei, drei Profibeter mit ein paar vollmächtigen – und wenn man Glück hat – kurzen Gebeten.

Warum fällt es Christen schwer, in Gemeinschaft mit anderen laut zu beten? Und das, obwohl Jesus auf das gemeinsame Gebet eine ganz besondere Verheißung gelegt hat? (Matthäus 18,20). Zum einen liegt es vielleicht daran, dass man Beten nicht wirklich gelernt hat. Und so demütig wie die Jünger Jesu scheinen wir nicht zu sein. Die haben Jesus einfach gebeten: „Bring uns doch bei, wie das geht (Lukas 11,1)“.

Deshalb schaut man vielleicht anderen zu, wie sie beten und oft mag man wahrscheinlich nicht, was man da sieht und hört. Um mal nur zwei Beispiele zu nennen:
 

1. Oft erklären Beter in ihren Gebet Gott, was er zu tun im Stande sei. Das geht in etwa so: „Herr, du kannst Bruder Müller gesund machen.“ Oder: „Dir ist es ein Leichtes, Schwester Anneliese die Arbeitsstelle zu schenken“. Braucht Gott diese Erinnerung? Vergisst er, was er zu tun im Stande ist? Oder verbirgt sich dahinter die Scheu, Gott ganz konkret um eine Sache zu bitten. Vielleicht aus falsch verstandener Demut oder aus Angst, dass ein Gebet nicht erhört wird und man dann mit der Enttäuschung klarkommen müsste?

2. Manche Gebete erwecken auch den Eindruck, dass Gott vergesslich ist. Da werden Details und Umstände von Gebetsanliegen erst einmal lang und breit erklärt, bevor die eigentliche Bitte kommt: „Gott du weißt, dass wir gestern über dieses Thema im Vorbereitungsteam für den Gottesdienst gesprochen haben und wir immer noch keine gute Idee für die Gästegottesdienste haben, die jetzt ja schon einen Monat früher stattfinden sollen, weil … „ Braucht Gott diese Infos wirklich, um unser Anliegen zu verstehen?“. Oder ist es nicht oft eher so, dass die Erklärungen als Info an die Mitbeter gedacht sind, denen man erklären will, warum man für eine konkrete Sache betet?
 

Ich glaube, dass diese Beispiele nicht Ausdruck von Lustlosigkeit oder eines müden Gebetslebens sind. Ich glaube eher, dass wir manchmal so beten, weil wir Gebet nicht als etwas begreifen, über das man sich auch mal ruhig grundlegend Gedanken machen kann. Und vor allem: Das man planen kann und für das es vielleicht die ein oder andere gute Regel gibt. Klar, wir wollen als evangelische Christen keine Gebetsgesetzlichkeit. Doch gerade durch den Verzicht auf Planung und Regeln ergeben sich manchmal die oben genannten Kuriositäten.

Es ist Zeit, Beten neu als ein Abenteuer zu verstehen und als spannende Entdeckungsreise.

Es ist Zeit, Beten neu als ein Abenteuer zu verstehen und als spannende Entdeckungsreise. Und für jede Reise ist es doch ganz selbstverständlich, sich im Vorfeld Gedanken zu machen. Hier sind sechs Tipps, die helfen können Beten – vor allem das gemeinsame Gebet – neu als Abenteuer zu entdecken:

1. Infopflicht!

Wenn Sie im Vorfeld wissen, wofür Sie konkret beten möchten, informieren Sie Ihre Mitbeter vor dem Beten. Dann müssen Sie nicht im Gebet über Gott Ihre Mitbeter über die Umstände eines Gebetsanliegens informieren.

2. Kurz und knackig!

Vermeiden Sie lange Sätze und Erklärungen. Gott weiß, worum es geht. Sagen Sie Gott konrket, wofür Sie dankbar sind  oder was Sie sich von ihm wünschen. Oft reicht ein Satz: „Vater, ich bitte dich, dass du die Kinder auf der Gemeindefreizeit behütest“.

3. Gebetsball spielen

Achten Sie auf Ihre Vorbeter. Betrachten Sie das gemeinsame Beten nicht als Aneinanderreihung von Anliegen, sondern lassen Sie sich von Ihrem Vorbeter inspirieren. Greifen Sie auf, was er gebetet hat und machen Sie da weiter. Man kann das als einen Gebetsball bezeichnen, der von den einzelnen Betern aufgegriffen und weitergespielt wird. Vor allem bei Dankanliegen, oder wenn Sie Gott einfach nur loben, klappt das sehr gut:

Beter 1: „Herr, wir bitten dich, dass viele Menschen zu unserem Gemeindefest kommen.“
Beter 2: „Wir bitten dich, dass sie sich wohlfühlen und ihnen die Predigt auch was bringt“.

4. Die Handbremse lösen

Beten Sie mutig! Oft erlebe ich das Gebet als ein Fahren mit angezogener Handbremse. Da wird Gott so allerhand zugetraut und Kühnes von ihm erbeten und im letzten Satz gibt es dann eine Einschränkung: „Herr, wenn es dein Wille ist.“ Grundsätzlich ist es ja richtig, nach Gottes Willen zu fragen. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass dieser Einschub als eine Art Rückversicherung geschieht. Wird mein Gebet nicht erhört, dann war es eben nicht Gottes Wille.

Als Jesus in Gethsemane bat „Herr, dein Wille geschehe“, da wusste er, was Gottes Wille war. Sein Gebet war daher die Bitte an seinen Vater, ihm zu helfen. Zu helfen, dass er seinem Willen nachgehen kann – auch wenn es für ihn ein Leidensweg wird. Deshalb: Beten Sie mutig. Nehmen Sie nicht schon in Gedanken vorweg, dass das Gebet nicht erhört. Und wenn Gott dann scheinbar wirklich nicht antwortet? Dann beten Sie in der nächsten Gebetsrunde noch einmal dafür. Und noch einmal. Und noch einmal. Und wenn es auf Dauer nicht erhört wird? Dann können Sie sich immer noch Gedanken darüber machen, warum es nicht erhört wurde. Aber erst dann.

5. Beten ist Silber, Schweigen ist Gold

Manche Menschen haben vielleicht auch schlicht und ergreifend Schwierigkeiten, vor anderen laut zu beten. Sie reden nicht gern vor anderen Menschen. Klar, dass das Beten dann noch viel schwerer fällt. Wenn es Ihnen persönlich keine Probleme macht, in größerer Runde zu beten, dann denken Sie aber bitte an die anderen. Versuchen Sie dann bewusst, Ihre Gebete einfach zu halten. Dann fällt es vielleicht auch anderen leichter, in das Abenteuer „Gemeinsames Gebet“ einzusteigen.

6. Nochmal die Gebetsbank drücken

Strukturen, Formeln und Riten schleichen sich bei jedem von uns ein. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Warum auch? Positiv betrachtet können Sie ein Gerüst sein, an dem man sich entlanghangelt. Ein persönliches, vorformuliertes Gebet kann freier sein als ein spontanes Gebet, das durch kanaanäische Formelsprache wesentlich unfreier ist. Pastor und Bestseller-Autor Timothy Keller beschreibt in einem Newsletter, wie er gelernt hat, freier zu beten. Er orientiert sich dabei an Gebetsvorschlägen von Thomas Cranmer, der 1549 „The Book of Common Prayer“ als gemeinsames Gebetsbuch in der Anglikanischen Kirche einführte. Er schlägt einen 5-Schritt vor, der – auf ein aktuelles Beispiel übertragen – so aussehen könnte:
 

Man trifft sich mit Freunden in der Gemeinde, um für eine Reihe von Gästegottesdiensten zu beten, mit denen man Menschen erreichen möchte, die auf der Suche nach ihm sind.
 

Probieren Sie es einfach aus. Entwickeln Sie ein Gefühl dafür, was Ihnen und Ihrem Gebetsteam hilft, offen und unverkrampft voreinander zu Gott zu beten. Es geht nicht um religiöse Übungen. Es geht um eines der spannendsten Abenteuer, die das Leben mit Gott zu bieten hat.

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