24.06.2022 / Wort zum Tag

Kein Diplomat

Die Menge fragte Johannes: Was sollen wir nun tun? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.

Lukas 3,10–11

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„Die Menge fragte Johannes: Was sollen wir nun tun? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.“

Johannes der Täufer war kein Diplomat, wenn es um seinen Auftrag und seine Botschaft ging. Er nahm kein Blatt vor den Mund, als er am Jordan zu den verschiedenen Menschengruppen sprach, die sich versammelt hatten. Irgendwie hatte er eine ungewöhnliche Anziehungskraft und man hörte ihm zu. Er konnte es sich sogar leisten, seine Zuhörer „Schlangenbrut“ zu nennen und sie liefen nicht davon. Im Gegenteil – viele ließen sich taufen, hörten den Ruf zur Umkehr und glaubten der Stimme des Predigers aus der Wüste. Seine Botschaft war offenbar klar und deutlich und erreichte die Zuhörer. „Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.“

Das war für die, die es hörten, harter Tobak. Denn letztlich steckt hinter dieser Warnung ein damals weit verbreiteter Irrtum. Auch Jesus wirft das später den Pharisäern und Schriftgelehrten vor.  

Ging man doch im frommen Judentum seiner Zeit davon aus, dass allein die Zugehörigkeit zum Volk Gottes ausreichte, um rundum abgesichert Träger der Verheißungen und göttlichen Treue zu sein – unabhängig von Herzenshaltung und praktischem Handeln. Das allerdings bestreitet Johannes in seinen Taufpredigten am Jordan mit größter Vehemenz. Nein, sagt er, ihr habt das Himmelreich nicht einfach so in der Tasche. Es geht um euer Herz und eure Hand. Es geht um „rechtschaffene Früchte der Buße“ – eure Herzenshaltung, euer Verhältnis zu Gott, muss sichtbare Folgen haben. Menschen sollen merken, zu wem ihr gehört und vor allem, dass ihr euch nicht nur um euch selber dreht und kümmert. Der Glaube – so sagt das der Apostel Paulus später – wird durch die Liebe tätig.

Auf die Frage der Menge hin, was das denn bedeute, antwortet Johannes mit unserem Bibelwort. Kümmert euch um euren notleidenden Nächsten. Zeigt ihm, dass euch etwas an ihm liegt. Teilt, was euch geschenkt ist, mit denen, die nichts haben. Von Hemd und Speise ist da die Rede, aber das kann auch Wohnraum und Wohlstand sein. In Zeiten politischer Unsicherheiten und Umwälzungen weltweit und mittlerweile auch in Europa können wir die Augen nicht mehr davor verschließen. Der Nächste, der unsere Hilfe dringend braucht, steht direkt vor unserer Tür. Geflüchtete Menschen aus der Ukraine, dem Nahen Osten und Afrika brauchen unsere Hilfe. Natürlich weiß ich, dass dieses Thema eine komplexe politische Dimension hat, die berücksichtigt werden muss, um mittel- und langfristig Lösungen zu finden. Jetzt und persönlich heißt es aber: Anpacken – die Not lindern. Tun, was im Moment dran ist.

Rechtschaffene Früchte der Buße, der Umkehr vom gnadenlosen, selbstbezogenen Egoismus, sind heute gefragt – vielleicht mehr, denn je!

Bekenntnisse allein helfen niemandem. Glaube ohne Werke ist tot. Hand anlegen, Hand reichen, teilen und helfen – das ist gefragt. Das ist schon immer ein Kennzeichen der Christen gewesen, dass sie ohne Ansehen der Person dem Nächsten gegeben haben, was ihm fehlte. Und das alles natürlich nicht – wie man den Fragern bei Johannes unterstellen könnte – „um dem künftigen Zorn zu entrinnen“ - sondern weil wir selbst die Barmherzigkeit und Güte Gottes erfahren haben und die Liebe zum Nächsten und drängt, sie auch an diesem Tag weiterzugeben!

Autor/-in: Bernhard Heyl