08.06.2011 / Themenwoche Jünger Jesu

Judas: der ewige Verräter

Judas kennt jeder - seinen Verrat, die dreißig Silberlinge, den Kuss. Er ist berühmt und berüchtigt. Doch wer war er wirklich?

„Da sprach Virgil: Sieh hier die größte Pein! Ischarioths Kopf steckt zwischen scharfen Fängen und außen zappelt er mit Arm und Bein“, so stellte sich Dante Alighieri das Schicksal des Erzverräters Judas vor. In seiner „Göttlichen Komödie“ zeichnete der italienische Dichter des Mittelalters ein Bild, in dem Judas in der untersten Höllentiefe „Judecca“ von Luzifer zermalmt wird, während er im Eis feststeckt.

Judas – für alle Zeiten ist er gebrandmarkt als der Verräter Jesu. Doch wer war er eigentlich? Wie können wir den Jünger Judas einordnen?  Sofort schießen uns doch verschiedene Deutungen ins Hirn. Neben Dantes Darstellung finden wir Judas etwa im Musical „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber. Dort ist er voller Begeisterung, Liebe und Hingabe für Jesus.

Gerade das Auffinden des sogenannten Judas-Evangeliums hat die Diskussion um Judas wieder neu angefacht. In diesem Text wird er als der einzige Jünger Jesu gesehen, der dessen wahres Ziel - den Kreuzestod und die Auferstehung - verstanden hatte. Mit der Übergabe an seine Feinde half er Jesus dabei, dieses zu erreichen.

Allerdings ist diese Schrift aus der frühchristlichen Zeit mit Vorsicht zu genießen, keinesfalls muss deshalb die Bibel neu geschrieben werden. Es handelt sich eher um eine historisch interessante Quelle zur Diskussion um das Jesusbild in der frühen Kirche.

Judaskuss und Judaslohn

Wie wir die Sache auch drehen und wenden, wir kommen nicht an der zentralen Bibelstelle über Judas vorbei: „Da kam Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohepriestern und Ältesten des Volkes. Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den ergreift. Und alsbald trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn.“ (Matthäus 26, 47-49)

Judas verrät Jesus. Mit dem berühmten Judaskuss gibt er das Signal für dessen Verhaftung. Dafür kassierte er seinen Judaslohn in Höhe von dreißig Silberlingen. Als Judas erfuhr, dass Jesus zum Tod verurteilt worden war, bereute er seine Tat. Er suchte Hilfe beim Hohen Rat, denen das aber gleichgültig war. Anschließend warf er das Geld in den Tempel, lief fort und erhängte sich. So berichtet es das Matthäusevangelium. (Matthäus 27, 3ff.)

Mammon, Desillusionierung, Fanatismus

Soweit – so klar. Oder doch nicht? Judas hatte eine Schwäche für Geld, so dass er sich auch als „Kassenwart“ der Jünger nicht davor scheute, selbst in die Barschaft zu greifen (vgl. Johannes 12, 4ff.). Trotzdem waren die dreißig Silberlinge kein sehr hohes Bestechungsgeld, sondern entsprachen dem Monatslohn eines Handwerkers.

Vielleicht hatte Judas also noch weitere Motive. Sein Name könnte darauf hindeuten. Ischariot soll wahrscheinlich seine Herkunft als Mann aus Kariot benennen, könnte sich aber auch auf die Bezeichnung Sikarier beziehen. Das würde Judas zu einem Zeloten machen – zu einem fanatischen Anhänger einer terroristischen, jüdischen Sekte. Als solcher wäre er sicher enttäuscht gewesen, dass Jesus nicht zum bewaffneten Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht aufrufen wollte. Er hätte sich Jesu lieber als Kriegerkönig gewünscht, denn als Friedensfürst.

Was auch immer Judas Gründe waren, sein Verrat war sein freier Wille. Doch es war auch sein Verrat, der Jesu Kreuzestod und Auferstehung erst ermöglicht hat. Insofern ist Judas eine zentrale Figur in der Heilsgeschichte Jesu. War es nicht Gottes Plan und Vorhersehung, dass Judas zum Verräter wurde? Eine mögliche Antwort darauf lieferte der theologische Schriftsteller Heinz Zahrnt. Er meinte, dass im Fall Judas Vorsehung und eigener Wille so nah beieinander liegen, dass man diese nicht trennen könne.

Einer der Zwölf

Es bleibt immer noch die Frage, wer Judas war. Und hier lässt sich vielleicht nach Dietrich Bonhoeffer argumentieren, dass Judas einer der Zwölf war. Der Verrat kam also nicht von einem Fremden, sondern von einem Jünger Jesu. Einem besonderen Jünger Jesu – aber letztlich doch einem Jünger.

Deswegen gilt auch speziell für Judas das Kreuzeswort Jesu: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23, 34)

Judas freilich half das nicht mehr. In seiner Verzweiflung beging er Selbstmord. Wir können es besser machen und das Vergebungsangebot Jesu annehmen. Dann muss uns auch Dantes Horrorszenario nicht schrecken. 


Weiterführende Links:

Wiki-Artikel über Judas Ischariot in der deutschen Wikipedia

Linksammlung des Bayerischen Rundfunks zu Judas Ischariot