31.12.2009 / Wort zum Tag

Johannes 20,29

Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!

Johannes 20,29

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Ja, das stimmt: selig ist - zu beneiden ist -, wer einen Glauben hat! Sicher, mancher wird auch belächelt deswegen und viele sagen: „Ich glaube nur, was ich sehe!“ Aber das ist doch ein bisschen wenig. Ich bewundere Menschen, die einen starken Glauben haben! Da höre ich von einem Kollegen, der in seinem Gottesdienst persönliche Segnung angeboten hat, ganz einfach; das finde ich in unserer Volkskirche sehr mutig; ich wünsche mir das auch seit Jahren, aber ich zögere und grüble: wie mache ich das denn richtig?
Da lese ich von einem Geschäftsmann aus Südkorea, der in Nordkorea, diesem dicht abgeriegelten Land, eine Privatuniversität gegründet hat; und die Studenten haben Zugang zum Internet und zu ausländischen Dozenten. Unglaublich, wie er den Diktator des Landes überwunden hat, mit Freundlichkeit, ohne Angst, was ihm selbst passieren könnte. Wenn es doch mehr solche gläubigen Menschen gäbe – was könnten die nicht alles erreichen!

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich mein Esszimmer putze, die Bank von der Terrasse reinhole und einwachse, die Katze flieht vor dem Staubsauger, ich koche mir einen Erkältungstee, das Telefon klingelt und der Tee wird kalt. Ich kritzle auf den zerknitterten Zettel in der Hosentasche „im Internet gucken: Segnung“, neben „Klaus anrufen“ und „Käsereibe kaufen“. Nein, ich will mich nicht beklagen, aber ich seufze manchmal, wie irdisch es bei mir zugeht, wie zerrupft mein Tag ist, wie wenig gläubig ich bei alledem bin. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, sagt Jesus, und er meint das als Ermutigung. Zu wem sagt er das? Zu einem seiner Jünger, Thomas – der ja wohl auch kein sehr Gläubiger war. Ihm hatten die anderen Jünger nach Ostern erzählt, sie hätten Jesus gesehen, wirklich lebendig. „Nicht mit mir“, dachte Thomas wohl, „das ist mir denn doch ein bisschen zu heftig; Jesus war ja tot gewesen, wirklich tot; hm, eine Vision, eine Geist-Erscheinung, könnte ich mir noch vorstellen, aber nicht einen Menschen aus Fleisch und Blut, dazu müsste ich ihn schon selbst anfassen können!“

Aber ich stelle fest, wie Jesus anscheinend solche Zweifler wie ihn richtig lieb hat; denn eine Woche später kommt er zu seinen Jüngern, geht geradewegs zu Thomas hin und sagt: „Hier, fass mich an, es sind wirklich meine Hände mit den Nägelmalen, glaub es!“ Ich möchte zu gern wissen, ob Thomas das gemacht hat – ihn angefasst hat. Aber egal: er kann nur stammeln „Mein Herr und mein Gott!“ und dann sagt Jesus das mit dem Glauben, auch wenn man nichts sieht. Also, es hat Thomas überzeugt. Ich könnte mir vorstellen: weniger dass er die Arme von Jesus ansah oder anfasste, reale Arme; als dass er merkte: Jesus wusste, was ich zu den anderen gesagt habe, meine Zweifel, und Jesus ist extra deswegen gekommen, zu mir! Und ich merke: Ja, Jesus schätzt Glauben ganz hoch ein, er wünscht sich den Glauben seiner Leute! Aber er liebt auch diejenigen, die halt nicht so viel Glauben haben; die eher durchs Leben voranstolpern. Menschen wie ich! Die mit Staubsauger und zerknittertem Zettel in der Hosentasche. Sicher auch die mit Laptop. Und vielleicht liegt das alles auch nicht so weit auseinander: ich lese oft nur von den Erfolgen anderer Christen, aber nichts davon, wie sie davor Schritt für Schritt gegangen sind, vielleicht auch gestolpert sind, Umwege gemacht haben. Wie sie vielleicht angefangen haben zu beten, und dann kam noch diese Bitte dazu, und eine Korrektur der Bitte, und es wurde langsam deutlicher, was Gott vorhat? Immerhin ist dieser Geschäftsmann aus Südkorea 74 Jahre alt geworden, bis er das erreicht hat. Und ich habe immerhin den Wunsch danach, Menschen zu segnen, und wer weiß, wie das noch weitergeht in meiner Gemeinde. Ich möchte auf Gott hören und seinen Willen tun; ihm wenigstens nicht im Weg stehen mit meinem tapsigen Glauben.

Naja, eigentlich egal, wie groß mein Glaube ist, ich muss das ja nicht wissen, aber ich weiß: Wir haben einen großen Gott, der uns sieht, wie wir sind, und der mit uns – ja, mit uns - sein Reich bauen will! Und ich glaube, dass er in diesem vergangenen Jahr das auch schon getan hat. Ja, mit diesem großen Gott gehe ich weiter – auch in ein neues Jahr. Ich erwarte etwas von ihm!
 

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt