12.03.2011 / Wort zum Tag

Johannes 14,18.19

Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Denn ich lebe und ihr sollt auch leben.

Johannes 14,18.19

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Drei kleine Kinder verlieren durch einen Unfall ihre Eltern. Vater und Mutter sind von einem zum andern Augenblick nicht mehr da. Die Kinder verlieren die Menschen, die sie geliebt und versorgt haben und bei denen sie geborgen waren. All das fehlt ihnen jetzt. Sie hätten die Eltern noch für einige Jahre dringend gebraucht, aber sie sind nicht mehr da. Das ist für die Kinder eine ganz schwierige Situation. Die Eltern sollten eigentlich ihre Kinder ins Leben begleiten und ihnen helfen, sich im Leben zurecht zu finden. Sie fehlen einfach sehr. Es ist schlimm, wenn Kinder zu Waisen werden.

Jesus greift im Bibelwort für heute das Bild von Waisen auf. Es ist ein Wort aus den Abschiedsreden Jesu an seine Jünger und steht im Johannes-Evangelium. Jesus weiß, dass er bald sterben wird. Er hat zu seinen Jüngern von seinem unmittelbar bevorstehenden Tod gesprochen. Dabei sah er doch anscheinend noch ganz gesund aus. Ein Mann in den besten Jahren. Keine schwere Krankheit, die ihn als todkranken Menschen zeichnete. Und so wollten es seine Jünger auch gar nicht richtig wahrhaben, was Jesus ihnen da sagt und ankündigt.

Jesus weiß, dass er keines natürlichen Todes sterben wird. Man wird ihn aus dem Weg räumen. Er ist vielen zu unbequem geworden. Und so, wie er von Gott redet, das empfinden viele als Gotteslästerung. So vertraut, wie er von Gott redet – nein, das darf nicht sein, das widerspricht allem, was sie bisher von Gott gehört und was sie selbst von Gott weitererzählt haben. Dieser Jesus muss weg. Er stört ihre Frömmigkeit, ihren Glauben – weil er auch so vieles in Frage stellt.

Jesus lässt sich nicht beirren und von seinem Weg abbringen. Er geht ihn im Gehorsam seinem himmlischen Vater gegenüber. Und dieser Weg führt ins Leiden und schließlich in den Tod. Und das wird auch Folgen für seine Jünger haben. Jesus bereitet seine Jünger auf eine Situation vor, die sie sich nicht gewünscht haben. Eine Situation, die sie verunsichern und hilflos machen wird. Sie sind Jesus nachgefolgt, haben alles aufgegeben und zurückgelassen, als sie seine Jünger wurden. Sie sind mit ihm unterwegs gewesen. Nicht nur ein paar Tage, sondern Wochen, Monate, fast drei Jahre. Und sie  hatten bestimmt auch ihre Hoffnungen, Vorstellungen und Wünsche, wie das Leben mit Jesus aussehen sollte.

Sein Tod wird alles verändern – und zwar radikal. Ich erkenne im heutigen Bibelwort, wie seelsorgerlich Jesus mit seinen Jüngern umgeht. Er knallt es ihnen nicht einfach vor den Kopf: „Findet euch damit ab, dass unsere Wege auseinander gehen. Es war schön mit euch, aber die Zeit ist nun vorbei!“ – Nein, so nicht. Jesus gibt seinen Jüngern etwas Tröstliches mit. Er verspricht seinen Jüngern etwas: Ich will euch nicht einfach zurücklassen – als Waisen; ich komme zu euch. Ob die Jünger in diesem Augenblick verstanden und begriffen haben, was das bedeutet? Schlimm genug, dass er ihnen seinen Tod angekündigt hat. Was sollte dann mit ihnen werden? Wie sollte es weitergehen? Ging es überhaupt weiter mit ihnen? Zerplatzten da nicht all ihre Wünsche und Vorstellungen wie Seifenblasen? „Ich komme zu euch. Denn ich lebe und ihr sollt auch leben.“  Er zeigt seinen Jüngern damit, dass der Tod sie nicht für immer voneinan-der trennen kann, dass sein Tod sie nicht zu „Waisenkindern“ macht.
 

Autor/-in: Pfarrer Jürgen Barth