25.05.2013 / Wort zum Tag

Johannes 1,16

Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

Johannes 1,16

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Diese Predigt von Klaus Vollmer werde ich wohl mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Ich habe sie oft gehört, weil ich sie auf einer kleinen Schallplatte hatte. Vor jungen Leuten sprach der Evangelist aus Hermansburg über das Thema „Gnade“. Vor jungen Leuten, die schon damals vor 40 oder 50 Jahren kaum noch eine Ahnung davon hatten, was das eigentlich bedeutet. Wilde Kerle, die immer wieder in Schlägereien verwickelt waren und die ihre Männlichkeit vor allem durch exzessiven Alkoholgebrauch und Drogenkonsum meinten, unterstreichen zu müssen. „Stellt euch vor“, sagte Klaus Vollmer, „ihr habt etwas ganz Schlimmes ausgefressen und ihr steht vor dem Richter. Und der Richter verurteilt euch zu einer richtig saftigen Gefängnisstrafe. Und ihr wisst, dass ihr keine Berufung einlegen könnt. Die Sache ist einfach klar. Das Urteil ist gesprochen. Da steht einer auf, geht nach vorne und sagt: Herr Richter, überschreiben sie die Tat bitte auf mich. Und dann überschreiben sie die Strafe auf mich. Und der Richter, der erst erstaunt ist, tut das. Und stell dir vor“, so Klaus Vollmer, „dann geht ein anderer für dich in den Bau. Und du verlässt den Gerichtssaal als einer, der sich nie etwas hat zu Schulden kommen lassen. Das ist Gnade.“

Genau das tut Gott mit uns Menschen. Er überschreibt alles, was wir tun; alles, was wir denken; alles, was wir sagen auf den Namen seines Sohnes Jesus Christus. Und er überschreibt die Strafe dafür auf den Namen seines Sohnes Jesus Christus. Und der geht ans Kreuz. Der lässt sich dafür hinrichten. Und ich darf leben wie einer, der sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen. Ich bin ein freier Mann, eine freie Frau. Und ich bin es in alle Ewigkeit. Das ist Gnade. Das ist göttliche Gnade.

Natürlich passiert so etwas im normalen Leben nicht. Zwischen uns Menschen kommt das nicht vor. Und weil es zwischen uns Menschen nicht vor kommt, zweifeln wir immer wieder daran, dass so etwas zwischen Gott und seinen Menschen vorkommen könnte. Gnade widerspricht allen unseren menschlichen Gesetzmäßigkeiten. Wir können es oft nicht glauben, dass Gott uns gnädig ist. Dass diese Gnade gilt. Dass er seine Unterschrift gegeben hat. Und dass ich mir das eigentlich nur gefallen lassen muss. Dass ich nicht selber dazu tun kann.

Aber Christsein heißt nicht mehr und nicht weniger als das: Ich verlasse mich bedingungslos auf die Gnade Gottes im Leben und im Sterben. Ich verlasse mich auf das, was Jesus für mich getan hat. Ich verlasse mich darauf, dass meine Schuld vergeben ist in Zeit und in Ewigkeit, dass er diese Schuld nicht irgendwann wieder hervorholt und sie mir unter die Nase hält. Vergeben ist vergeben.

Johannes, der Evangelist, schreibt im berühmten 1. Kapitel seines Evangeliums: „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Nicht einfach nur Gnade einmal, sondern Gnade um Gnade. Gnade immer wieder. Gnade jeden Tag neu. Gnade jede Minute neu. Wir können das, weil wir aus seiner Fülle nehmen. Der Gnadenvorrat Gottes geht nicht irgendwann zur Neige. Fülle ist Fülle. Das griechische Wort, das hier steht, sagt auch: Diese Fülle ist komplett. Sie ist nicht erschöpfbar. Von dieser Gnade leben wir. Wegen dieser Gnade glauben wir. Mit dieser Gnade sind wir unterwegs in der Welt. Diese Gnade bringen wir zu den Menschen mit dem, was wir tun und mit dem, was wir sagen. Wir bringen Gnade zu den Menschen und nicht in erster Linie Moral.

Autor/-in: Jürgen Werth