05.04.2023 / Andacht

Jesus ohne Umweg

Solus Christus: Warum Gott nicht ohne Jesus gedacht werden kann.

Solus Christus – so haben die Reformatoren im 16. Jahrhundert eine ihrer Kernaussagen auf den Punkt gebracht. Übersetzt heißen diese beiden lateinischen Worte „allein Christus“. Damit erinnert die Reformation wieder die an die zentrale Bedeutung von Jesus Christus. Aus gutem Grund. Denn in ihrer Zeit gehörten die Heiligenverehrung und die Marienfrömmigkeit zum Alltag der Menschen in Europa.

Jesus war in den Hintergrund gerückt und an seiner Stelle beteten die Menschen zu den Heiligen und zu Maria. Sie sollten vermitteln zwischen dem betenden Menschen und Gott. Nur dann würde Gott seine Gnade gewähren, so die damalige Überzeugung. Den Reformatoren ging es wieder um die Fragen: Wer ist Jesus? Welche Bedeutung hat er?

Martin Luther bekannte neu: „Jesus Christus ist allein das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt.“ Und Johannes Calvin hielt fest: „Unser ganzes Heil, alles, was dazugehört, ist allein in Christus beschlossen.“ Für sie war klar: Jesus ist der einzige, der uns Menschen aus unserer Gottesferne retten kann. Und deshalb ist er auch der einzige, an den wir glauben sollen.

An Gott und Jesus gleichzeitig glauben?

Im Spätmittelalter, der Zeit der Reformation, wandten sich die Menschen also üblicherweise nicht mehr direkt an Jesus Christus oder an Gott. Denn sie meinten, dessen seien sie gar nicht würdig. Deshalb der „Umweg“ über die Heiligen oder Maria, die für sie vor Gott oder vor Jesus eintreten sollten. Diese Vorstellung prägt gewiss immer noch Menschen.

Doch ich meine, viele befinden sich heute in einer anderen Position, was Jesus betrifft. Unsere Tochter hatte zum Beispiel eine beste Freundin. Irgendwann fragte uns deren Mutter: „Eure Tochter spricht immer von Jesus. Glaubt ihr an Jesus, nicht an Gott?“ So oder ähnlich geht es wohl vielen Menschen. Sie glauben an Gott – irgendwie.

Aber sie fragen: „Warum betonen Christen, dass sie an Jesus glauben? Der Glaube an Gott genügt doch, oder?“ Ich kann diese Frage sehr gut verstehen. Denn viele Jahre habe ich das genau so gesehen.

Der Fremde in der Mittagshitze: Eine persönliche Begegnungen mit Jesus

Wer also ist Jesus? Das fragten sich schon die Menschen, die ihm selbst begegneten. Da macht sich in der Mittagshitze eine Frau auf den Weg zum Brunnen. Dort trifft sie Jesus. Doch sie hat keine Ahnung, wer der Fremde ist. Im Verlauf der Unterhaltung geht es um Gott, den Vater, um den Heiligen Geist und um Jesus selbst (Johannes 4,20-24). Bis die Frau schließlich sagt: „Ja, ich weiß, dass einmal der Messias kommen soll, der auch Christus genannt wird“ (Johannes 4,25).

Das Wort Messias bedeutet „der Gesalbte“. Gesalbt wurden Könige und Priester. Und die Salbung mit Öl war das Zeichen, dass Gott diesen Menschen beauftragt hatte. Auf Griechisch heißt Messias „Christos“, im Lateinischen „Christus“. Sprechen wir heute also von Jesus Christus, dann bedeutet das: Jesus ist der von Gott gesandte Messias. Und das bestätigt Jesus im Gespräch mit der Frau: „Du sprichst mit ihm. Ich bin der Messias.“ (Johannes 4,26).

Jesus ist der Weg zu Gott

Bereits im Alten Testament hatte Gott diesen besonderen Gesalbten angekündigt. Wenn er kommen würde, sollte dies geschehen: „Blinde werden sehen, und Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird gute Botschaft verkündigt“ (Matthäus 11,5). So fasste Jesus sein Wirken zusammen. Dabei zitierte er aus dem Buch des Propheten Jesaja (z. B. Jesaja 29,18-19).

Jesaja beschreibt den Messias als den Diener Gottes, der weit über das Volk Israel hinaus das Licht für die ganze Welt ist. Und er prophezeite: Der Messias wird sterben, um als Opfer die Übertretungen der Menschen zu sühnen – obwohl er völlig schuldlos sein würde. Dadurch versöhnt der Messias Menschen mit Gott, denn er trägt all das, was sie von Gott trennt (Jesaja 52,13-53,12).

Der Messias sollte also kommen, um die ganze Welt zu retten. Und dieser Messias, dieser Christus ist Jesus.

Jesus versöhnt mich mit Gott

Vielleicht ist diese einzigartige Bedeutung von Jesus, dem Messias, für viele das größte Problem mit dem christlichen Glauben. Doch Jesus unterstreicht seinen ungeheuerlichen Anspruch mehrfach. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich“, sagt er in Johannes 14,6. Obwohl das auch eine überaus ermutigende Aussage ist.

Allen, die sich fragen „Wo und wie kann ich Gott finden?“ denen antwortet Jesus: „Hier bei mir.“ Denn in Jesus ist Gott selbst gegenwärtig. Deshalb sagte Jesus: „Wer mich sieht, der sieht Gott, den Vater“ (Johannes 14,7-10). Und darum fordert uns Jesus auf: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Johannes 14,1).

Das bedeutet auch: Jesus ist Gott. Er ist Gott, der Sohn. Und allein Jesus hat das eine Opfer gebracht, das die Trennung der Menschen von Gott überwinden konnte, sich selbst. Und deshalb finden wir nur durch ihn Vergebung. Nur Jesus kann uns aus dieser Lage erretten. Wenn wir an Jesus glauben, nehmen wir das an, was er für uns getan hat. Dann glaube ich: Jesus hat mich versöhnt mit Gott, dem Vater.

Allein Jesus hat das eine Opfer gebracht, das die Trennung der Menschen von Gott überwinden konnte, sich selbst.

Die Entdeckung der Reformatoren: Allein Jesus

Dafür traten die Reformatoren wieder ein – mit aller Entschiedenheit:

Denn es ist allein ein einziger Versöhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus Christus [...] welcher ist der einzige Heiland, der einzige oberste Priester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott ... Das ist auch der höchste Gottesdienst nach der Schrift, dass man denselbigen Jesus Christus in allen Nöten und Anliegen von Herzen suche und anrufe. (Confessio Augustana, Art. 21).

Das passt ins Bild. Jesus kam als menschgewordener Gott in diese Welt, weil ihn seine Liebe getrieben hat. Seine Liebe zu Ihnen und zu mir. Und deshalb ruft er uns mit der ganzen Leidenschaft seiner Liebe zu – durch die Jahrhunderte bis heute: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“

Autor/-in: Steffen Brack

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