15.09.2023 / Wort zum Tag

Jesu Aufgabe

Jesus spricht: Ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette.

Johannes 12,47

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In den Herrnhuter Losungen steht heute ein Satz von Jesus. Er sagt im Johannesevangelium, Kapitel 12: „Ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette“.

Nicht richten, sondern retten – Moment mal, ich stutze da. Schildert die Bibel nicht an vielen Stellen, dass es ein Gericht geben wird? In den Evangelien steht es und in der Offenbarung. Und auch im Glaubensbekenntnis: Jesus „sitzt zur Rechten Gottes des Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten“.

Aber nun hier die Erklärung von Jesus, er sei nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern sie zu retten. Wie ist das zu verstehen? Nun – spüren wir dieser Spannung mal nach.

Jesus sagt das in Jerusalem. Bald wird er verhaftet und gekreuzigt werden. Noch redet er mit Freunden und mit Gegnern. Ihnen erklärt er kurz und bündig, wozu er gekommen ist: eben nicht die Welt zu richten, sondern zu retten. Viele hatten das anders erwartet. Johannes der Täufer hatte Jesus als Richter angekündigt: Der werde kommen mit Axt und Feuer, und so erwarteten es viele: Jetzt kommt einer, der mal kräftig regiert und richtet und Gottes Reich gewaltig anbrechen lässt.

Aber Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten. Dazu weiß er sich von seinem himmlischen Vater gesandt. Gekommen, um zu retten - was heißt das?

Wenn ich zum Arzt gehe, dann hoffe ich, dass er erkennt, was mir fehlt. Dass er eine richtige Diagnose stellt, klar. Aber dann hoffe ich vor allem, dass er weiß, was ich brauche, was mir neue Kraft bringt und Heilung.

Jesus weiß, was uns fehlt. Unmittelbar vor dem zitierten Bibelwort sagt er: „Ich bin als Licht gekommen“. Seine Diagnose lautet nämlich: Ohne die Beziehung zu Gott sieht es am Ende dunkel aus. Da wird es dunkel, wo jemand seine unversöhnte Vergangenheit mit sich schleppt und im Herzen hart wird. Da wird es dunkel, wo Selbstgerechtigkeit statt Gottesliebe ein Leben füllt. Da bleibt es dunkel, wo am Ende am Sterbebett alles verloren scheint.

Gott will das nicht. Darum schickt er Jesus in die Welt. Jesus sagt: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“ So versteht Jesus seine Sendung: gekommen zu retten. Das steckt schon in seinem Namen. Vor seiner Geburt sagt ein Engel dem Josef: Er soll „Jesus“ heißen, „denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden“. Das ist sein Programm. Und Jesus bleibt trotz Widerstand  bei seiner Linie. Er hält sie durch bis in seinen Tod. Da – in seinen Tod – da nimmt er alles hinein, was von Gott trennt, alles Verbogene und Verkorkste, alles Schuldige und Beschämende im Leben. Und jede und jeder kann es immer neu als befreiendes Angebot für sich hören, was Jesus sagt: Ich bin gekommen, zu retten.

Das gilt auch heute. Und es gilt morgen und übermorgen – und am Ende aller Tage. Und wie ist das nun mit dem Gericht? Ja, am Ende wird einmal aufgedeckt, was war. Da bleibt kein Leid vergessen, kein Unrecht verborgen. Paulus schreibt: „Wir müssen alle einmal vor dem Richterstuhl Christi erscheinen“. Aber wie? Als Angeklagte, ja. Aber eben auch als schon Freigesprochene – frei, weil Jesus kam, um zu retten. Grund genug, sich heute ihm anzuvertrauen und zu wissen: Verbunden mit ihm wird mich am Ende nichts von Gottes Liebe scheiden.

Autor/-in: Prälat Ulrich Mack