17.10.2011 / Wort zum Tag

Jesaja 63,19

Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab!

Jesaja 63,19

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Das ist ein Wunsch besonderer Art, nicht wahr? Der Prophet Jesaja hätte das sichtbare Eingreifen Gottes gerne so dramatisch und einprägsam, dass es noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und die Feinde Gottes erzittern müssen. Gott, reiß den Himmel auf, nimm das Regierungszepter an dich. Mach es ein für alle Mal klar,  dass du der Herr aller Herren bist.

Ein sicher etwas ungewöhnliches Gebet um das Kommen Gottes und einen „offenen Himmel“. Aber, hätten wir das manchmal nicht auch gerne? Wäre das nicht genau das, was wir heute brauchen – im Entertainment-Zeitalter – in dem man Beachtung und Gehör nur dann findet, wenn man ein Programm mit hohem Unterhaltungswert anbietet, das konkurrieren kann auf dem Markt der Möglichkeiten? Ein Gott, der sichtbar solch spektakuläre Wunder vollbringt, vor dem würden unsere Zeitgenossen dahin schmelzen. Mit einem solchen sichtbar gewordenen Gott wäre Glauben und Mission ein wahres Kinderspiel, oder? Dann gäbe es wohl auch keine persönlichen geistlichen Durststrecken und Zweifel mehr …

Dieser Wunsch Jesajas nach dem handfesten und augenscheinlichen Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte ist die Sehnsucht der Christen zu allen Zeiten gewesen. Und dieser Wunsch nach dem machtvollen und triumphalen Einbrechen Gottes in die irdischen Verhältnisse wird bei der Wiederkunft Christi auch tatsächlich in Erfüllung gehen. Dann werden in der Tat – so sagt es die Bibel - alle Mächte dieser Welt in die Knie gehen “und alle Zungen bekennen müssen, dass Jesus der Herr ist” (Phil. 2). Aber noch sind wir nicht soweit. Und doch hat Gott die Sehnsucht Jesajas und der alttestamentlichen Gottesgemeinde bereits erhört. Er hat schon längst den Himmel zerrissen und ist herab gefahren, hat Licht in die Dunkelheit der Völkerwelt und vieler Herzen gebracht und seine Herrschaft unwiderruflich etabliert. Es ist nämlich Advent und Weihnachten geworden. Ganz anders ist es gekommen, als man das erwartet hat. Das Feuerwerk vom Himmel blieb nämlich aus. Gott kam anders, still, verborgen, anstößig, armselig, nicht standesgemäß und scheinbar machtlos. So hatte man sich das nicht vorgestellt. Dass Jesus als Kind in der Krippe und Mann am Kreuz die Antwort auf den herzzerreißenden Schrei aller Zeiten um den himmelzerreißenden Gott sein sollte, das war und ist immer noch schwer zu schlucken.
Doch der Himmel hat ein Loch: „Der Himmel ist nicht droben, seit Jesus ist er hier, die Grenzen sind verschoben, geöffnet ist die Tür,” heißt es in einem Lied von Jürgen Werth. Gottes Art ist nicht das Dreinschlagen oder die Effekthascherei – so gern wir das auch manchmal hätten.

Wir leben noch nicht im Schauen, sondern im Glauben. Dieser Glaube ist ein Geschenk Gottes, von ihm gegeben und erhalten durch den Heiligen Geist. Dieser Glaube wird auch in Zeiten der “Gottesfinsternis” nicht verlöschen. Geistliche Durststrecken werden ihn nicht unterkriegen können. Denn er weiß felsenfest – auch ohne es im Moment zu sehen oder zu fühlen – der Himmel hat ein Loch, und zwar zu unseren Gunsten. Gott hat ihn zerrissen und nicht nur den Himmel, auch – zeichenhaft - den Vorhang im Tempel am Karfreitag – und damit auch die Anklageschrift gegen uns. Das ist das Evangelium. Er ist hier!
Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, ... Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohl tut denen, die auf ihn harren.
 

Autor/-in: Bernhard Heyl