02.03.2011 / Wort zum Tag

Jesaja 55,3

Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!

Jesaja 55,3

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Das ist der Vers, der uns durch den Tag begleiten soll. Ein leidenschaftlicher Appell Gottes an sein Volk Israel: Neigt euer Ohr und kommt zu mir! Hört, und eure Seele wird leben!

Dieser Ruf erinnert mich an eine Szene, die ich häufig erlebt habe, als wir kleine Kinder hatten: mein kleiner Sohn ist mit mir zu Fuß unterwegs. Quirlig und lebendig, will er natürlich nicht an der Hand gehalten werden, sondern läuft und hüpft einige Schritte vor mir her. Wir nähern uns einer Kreuzung und  gehen auf eine Bordsteinkante zu. Ich rufe hinter dem Kind her: „Stop! Stehenbleiben! Warte auf mich!“
Bei unserem Jüngsten konnte ich sicher sein, dass das funktionierte. Wenn ich  „Stop!“ rief, blieb er auf der Stelle stehen. An diesen Warnruf vor einer Gefahrenstelle erinnert mich der heutige Losungsvers. Wie ein Marktschreier macht Gott auf sich aufmerksam.

„Neigt euer Ohr und kommt zu mir! Hört, und eure Seele wird leben!“ Ein leidenschaftlicher Appell, der eine unmittelbare Reaktion verlangt. Stop! Lauft  nicht weiter weg von mir!  Hört auf mich! Kommt zu mir! Davon hängt euer Leben ab! Wie ein besorgter, vorausschauender Vater ruft Gott sein Volk. Um jeden Preis will er verhindern, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen.

Was ist geschehen? Israel und der Tempel Gottes wurden von den Babyloniern zerstört. Für die Israeliten Zeichen der Strafe Gottes. Viele Israeliten sind nach Babylon exportiert worden. Zunächst voller Verzweiflung über die Zerstörung Jerusalems und ihr Gefühl, jetzt endgültig von Gott aufgegeben zu sein, sind sie sich nach und nach der Möglichkeiten des Landes bewusst geworden. Vieles war möglich: Handel, Landwirtschaft, Häuserbau, Religionsfreiheit – die  Lebensumstände waren komfortabel. Es schien naheliegend, die Chancen zu ergreifen, sich ein neues Leben aufzubauen, am Wohlstand des Landes  teilzuhaben, neue Sicherheit zu finden.

Wenn das beste vorstellbare Leben, das Leben im verheißenen Land als Volk Gottes, dem er nah ist, unwiderruflich verloren war, dann schien es sehr sinnvoll, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und aus dem Zweitbesten das Beste zu machen. Fleißig zu sein, zu erarbeiten, was möglich war und auf diese Weise ein erfolgreiches Leben zu führen.

Und genau an dieser Stelle ruft Gott seinem Volk sein leidenschaftliches „Stop!“ hinterher. Stop, mein Volk! Du riskierst dein Leben! Du bist in der Gefahr, das Wichtigste zu verlieren! Was nützt es dir, alles zu gewinnen und an deiner Seele Schaden zu nehmen? „Neige dein Ohr und komm zu mir! Höre, und deine Seele wird leben!“
Dieser Ruf Gottes trifft mich sehr direkt. Zwar bin ich kein Israelit, lebe auch nicht in Babylon. Grundsätzlich gebe ich mich nicht damit zufrieden, das Streben nach Besitz und Erfolg zu meinem Lebensinhalt zu machen. Aber dennoch stehe ich täglich in der Gefahr, mich im Alltag von ganz anderen Dingen abhängig zu machen als von Gott. Da entscheidet die Frage, ob ich gut oder nicht gut gearbeitet habe darüber, ob ich mich wichtig und ernst genommen fühle. Ein bisschen mehr oder weniger Gewicht auf der Waage bestimmt, ob ich mich schön oder hässlich, geliebt oder ungeliebt fühle. Und schon wird das Streben nach Erfolg oder nach weniger Gewicht zum Ziel und Inhalt meiner Entscheidungen. Und schon suche ich mein Glück an der falschen Stelle. In dieser Gefahr stehe ich täglich. Und genau deshalb möchte ich diesen Ruf Gottes an sein Volk genauso als Ausdruck seiner fürsorglichen Liebe für mich hören. Seinen Ruf möchte ich mit in den Tag nehmen, ihn im Kopf behalten und mich durch ihn jederzeit ausbremsen lassen, wenn ich in Gedanken oder Verhaltensweisen mein Glück an der falschen Stelle suche. Immer dann möchte ich hören: „Neige dein Ohr und komme zu mir! Höre, und
deine Seele wird leben!“ Und spätestens dann will ich meine Gedanken und mein Herz wieder auf ihn richten und seine Nähe suchen. Weil ich sonst mein Leben aufs Spiel setze.
 

Autor/-in: Petra Foede