16.09.2011 / Wort zum Tag

Jesaja 53,1

Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart?

Jesaja 53,1

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Ein Freund von mir ist im Vorstand einer freikirchlichen Gemeinde. Er hat eine Leidenschaft: Er möchte, dass sich nicht nur diejenigen in der Gemeinde wohlfühlen, die bereits da sind – sondern dass die Gemeinde Menschen erreicht, die bisher noch gar nichts mit Gott am Hut hatten. Und da gibt es eine Sache, die ihm Schwierigkeiten macht: Er selber ist Lehrer, verheiratet, 2 Kinder. Auch in seinem Hauskreis sind fast alle Lehrer – dann gibt’s vielleicht noch ein- bis zwei Ingenieure. Die Kinderzahl kann schwanken – aber im Prinzip sind das alles so Leute wie er. Das geht in der Gemeinde so weiter. Fast alle haben schöne Berufe, schöne Kinder, schöne Häuser. Und sein privater Freundeskreis, über die Gemeinde hinaus? – Sie ahnen schon: Lehrer! schöne Kinder, schöne Häuser …

Mit meinem Freund denke ich über diese Frage nach: Warum ist das so? Muss man, um zu Jesus zu kommen, gut bürgerlich sein, aus der Mittelschicht kommen? Ist das Voraussetzung für den Glauben an Jesus Christus – „schöner Beruf, schönes Haus, schöne …“ – das kann’s ja nicht sein. Nur: Warum kommen dann die anderen nicht? Ob nun Landes- oder Freikirchen: Die Gemeinde meines Freundes stellt keine Ausnahme dar.  Bei ganz vielen, vielleicht den meisten, christlichen Gemeinden in Deutschland ist das so – einschließlich der Gemeinde, zu der ich gehöre. Ist das Evangelium von Jesus nicht gerade etwas für Harz-IV-Empfänger, für Alleinerziehende, für Migranten? Und wenn ich mich in unserem Dorf einmal mit wachen Augen umschaue: Es gibt die Leute: schönes Eigenheim, schönen Beruf, schöne Kinder …  – aber es gibt eben auch ganz andere. Aus Osteuropa zugezogene Spätaussiedler, die kaum Kontakte zum Rest des Dorfes haben. Andere, die – teilweise schon in der zweiten und dritten Generation – ihren Lebensunterhalt von Sozialhilfe, „Hartz IV“, bestreiten. Wollen die alle nichts mit Gott am Hut haben? Oder liegt es an uns?

Der Prophet Jesaja singt das große Lied vom leidenden Knecht Gottes – „Er trug unsere Krankheit und unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre …“ Man muss schon Tomaten auf den Augen haben, um da nicht die Geschichte von Jesus zu erkennen – wie er in diese Welt kam, für die Welt starb und auferstand. Und mittendrin in diesem Lied stellt Jesaja die Frage: „Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des Herrn offenbart?“ - Also: „Wer wird dieser Botschaft glauben und Gottes Kraft erfahren?“ Gott wollte immer schon alle – nicht nur die, die ohnehin schon dabei sind, die zu seinem Volk gehörten. Sondern die, die niemand auf der Liste stehen hatte. Und es war Israels Schuld, dass es nicht geklappt hatte. Sie hatten meist nicht so gelebt, wie sie leben sollten. Sie waren nicht auf Dauer das Vorbild für die Völker gewesen, das sie sein sollten. Die Menschen, die ohne Gott lebten, konnten also nicht erkennen, wie es mit ihm geht.

Seit der Zeit Jesajas hat sich viel verändert. Aber eines ist geblieben: Die Menschen sollen am Leben derer, die Jesus nachfolgen, erkennen können, wie das ist, wenn man mit Gott lebt. Liegt es an den Menschen, die nicht glauben und Gottes Kraft nicht kennen? Oder liegt es an den Gemeinden und ihren Leuten? Leben die denn so falsch? Als ich mit meinem Freund darüber nachdachte - das Problem ist ja schon, dass es so wenig Berührungspunkte zu Menschen gibt, die anders sind und leben als man selber. Vielleicht haben wir Christen in der Vergangenheit denselben Fehler gemacht wie das Volk Israel: Wir haben uns an uns und unserer Gemeinde genügen lassen. Hatten nicht wirklich Interesse an den Menschen, die aus einem anderen Hintergrund kommen als wir. Es ist Zeit, das zu ändern. Es ist Zeit, Zeit miteinander zu verbringen, sich kennen zu lernen. Zu schauen, wo wir helfen und Hilfe annehmen können. Machen Sie mit.

Autor/-in: Uwe Bertelmann