19.01.2009 / Wort zum Tag

Jesaja 50,6

Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.

Jesaja 50,6

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Ich kenne das noch von früher. Beim „Topfschlagen“ oder beim Versteckspielen wurden einem von uns immer die Augen verbunden. Ganz fest. Um rauszufinden, ob er auch wirklich nichts mehr sehen konnte, tat dann ein anderer immer so, als würde er ihm direkt auf die Nase boxen. Wenn er nicht zurückzuckte war klar: Der sieht nun wirklich nichts mehr. - Ist ja klar. Wer in der Gefahr steht, geschlagen zu werden, zuckt zurück.

Das Bibelwort von heute erzählt von einem, der sich offensichtlich ganz anders verhalten hat. Dieses Wort steht im Buch des Propheten Jesaja. Aber schon in der alten Kirche wurde es auf den Knecht Gottes übertragen, auf den Messias und damit auf Jesus. Ich lese aus Jesaja 50, Vers 6: „Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“

Stellen wir uns einen Moment vor, Jesus wäre zurückgezuckt. Wie wir wohl alle. Die Evangelien erzählen von mindestens zwei Szenen, in denen er hätte zurückzucken können. Einmal bei der Versuchung in der Wüste. Der Teufel bot Jesus alle Kostbarkeiten dieser Welt an, allen Reichtum und alle Macht. Einzige Bedingung: Er musste sich ihm, dem Teufel, unterwerfen und damit seinen Auftrag verraten. Die zweite Szene, an die ich denke, spielt im Garten Gethsemane, kurz vor der Verhaftung. Jesus ringt mit Gott. Sein Schweiß tropft wie Blutstropfen zur Erde. Und er betet: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Und später nach seiner Festnahme und nachdem Petrus einem Soldaten des Hohenpriesters ein Ohr abgeschlagen hat, sagt er zu seinem Jünger: „Meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss.“

Ich glaube, Jesus hätte zurückzucken können, hätte sich zurückziehen können, hätte sagen können: „Bis hierher und nicht weiter.“ Was aber wäre dann aus der größten Rettungsaktion der Menschheit geworden? Was wäre aus uns geworden? Wir säßen immer noch in unseren Sünden. Es gäbe keine Vergebung der Schuld. Es gäbe keine Hoffnung auf die Auferstehung. Es gäbe kein ewiges Leben. Wie gut, wie überaus wunderbar und gut, dass Jesus seinen Weg konsequent bis zum Ende gegangen ist.

Warum? Nicht weil er ein unverbesserlicher Fanatiker gewesen wäre, der einen Rückzug nur aus Sturheit und Eitelkeit nicht glaubte, erlauben zu können. Nein, Jesus ist diesen Weg aus Liebe gegangen. Jesus ist Gottes Liebe in Person. Eine Liebe, die selbst denen galt und gilt, die ihn foltern und anspucken und töten. Eine Liebe, nicht nur zu seinen Freunden, sondern eine Liebe zu seinen Feinden. Immer wieder haben Menschen versucht, dieses einmalige Geschehen darzustellen in Bildern, in Liedern, in Filmen. Der Film „The Passion“ von Mel Gibson war vor ein paar Jahren ein besonders drastischer und umstrittener Versuch. Aber ich glaube letztlich, dass alle Bilder, Lieder und Filme zusammengenommen nicht wirklich darstellen können, was die Passion wirklich bedeutet hat. Für ihn und für uns. Jesus ist durch die Hölle gegangen, damit wir in den Himmel gehen können. Und dafür will ich ihm jede Minute meines Lebens immer wieder neu danken.
Autor/-in: Jürgen Werth